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Slukas kuriose Welt des Kundenservice: Viel Lärm um nichts!

Robert Sluka, Präsident des österreichischen Call Center Forums, ist seit mehr als 30 Jahren im Customer Care-Bereich tätig und Kenner der Branche. Aber er ist vor allem eines: selbst Kunde. In unserer Serie "Slukas kuriose Welt des Kundenservice" gibt der Call Center-Manager des Jahres 2003 lustige Einblicke in seine Service-Erlebnisse. Heute: Viel Lärm um nichts.

Nichtsahnend saß ich in meinem Wohnzimmer, als es unerwartet an der Tür klingelte. Die beste Nicht-Ehefrau der Welt und ich spielten ein schnelles "Schnick, Schnack, Schnuck", um zu klären, wer die Tür öffnen darf. Nachdem ich anscheinend viel Glück in der Liebe habe, aber dafür weniger im Spiel, musste ich diesen Gang machen. Auf dem kurzen Weg zur Tür denke ich noch so bei mir, was diese Tatsache eigentlich über meine Partnerin aussagt? 'Die hätte dann ja', ... aber lassen wir das.

Ich öffne die Tür und ein DHL-Bote überreicht mir ein etwa ein Meter breites und ungefähr vier Kilogramm schweres Paket. Genauer gesagt sind es sogar zwei Pakete, die mit Klebeband zusammengepappt wurden. Ich wuchte das Monstrum über die Schwelle ins Wohnzimmer und frage die beste Nicht-Ehefrau der Welt, was sie denn da schon wieder bestellt hat? Weil sie es tatsächlich nicht (mehr?) weiß, schauen wir auf den Absender: Es kommt von "Mr. Porter". "Das ist ein YSL-Armband für dich", freut sich meine Liebste. Ich erschrecke innerlich: 'Wie viele hat sie den gekauft? Oder übertreiben sie es jetzt komplett mit dem Verpackungsmaterial?' Um die Spekulationen zu beenden, öffnen wir die beiden zusammengeklebten Pakete und finden: Zwei große Stoffballen, natürlich kein Armband.

Weil hier definitiv etwas nicht stimmen kann, setze ich mich an den Klapprechner und suche nach dem Versender: "Mr. Porter – the home of Luxury Fashion for the modern man". Aha, spannend! Leider finde ich kein Impressum, wühle mich aber weiter durch die Webseite und finde heraus, dass der Anbieter in Italien sitzt. Ich finde sogar eine 0800er Nummer, wähle diese an und lande irgendwo in England. Weil ich just in dem Moment eine Chat-Möglichkeit finde, lege ich einfach auf und versuche es auf diesem Weg.

Plötzlich werde ich von "Net-a-Porter" begrüßt. 'Ein interessantes Firmenkonstrukt', denke ich so bei mir. 'Fast wie bei einer bekannten, aber in Konkurs befindlichen österreichischen Immobilienfirma.' Egal! Jedenfalls schreibe ich in den Chat, dass ich die Bestellung von jemand anderem bekommen habe. Ich schildere mein Problem, gebe die Bestellnummer an und fotografiere sogar die beiden Produktlabels, die in den Paketen waren. Ich gebe alles an, was von mir verlangt wird.

Spätestens bei der Aufforderung, ich solle "die richtige Bestellnummer mitteilen", beginnt mein Blutdruck langsam zu steigen. Also schicke ich einen Screenshot der ursprünglichen Bestellbestätigung. Endlich haben sie ein Einsehen, dass die beste Nicht-Ehefrau von allen wirklich ein Armband bestellt hat.

Die Frage, warum wir jetzt 2 x 15 Quadratmeter Stoff bekommen haben, beantwortet das natürlich nicht, also schicke ich als Beleg Fotos der Stoffballen. Die Antwort im Chat lässt meinen Blutdruck noch weiter ansteigen.

"Vielleicht haben Sie bei einem anderen Geschäft bestellt?", lese ich und möchte am liebsten laut los lachen. Und warum steht als Absender Mr. Porter auf dem Sendeetikett? Kurz vor dem Explodieren schreibe ich das auch dementsprechend in den Chat:

Die Situation scheint festgefahren, also greift der Chat zu einem Manöver, das immer als „vermeintlich beste“ Lösung angesehen wird: Die zuständige Abteilung wird sich melden.

Wann sich die Abteilung meldet? "Es dauert eine Weile", erfahre ich. Okay! Weil ich die 30m² Stoff definitiv nicht behalten will, bringe ich das Rücksendeetikett ins Spiel. Mein Blutdruck bewegt sich derweil langsam aber sicher in einen gesundheitsgefährdenden Bereich.

Der Chatbot zeigt sich davon - natürlich - unbeeindruckt und gibt mir zu verstehen, dass hier ist jetzt erstmal "Ende Gelände" ist. Trotzdem er wünscht mir "weiterhin viel Spaß beim Shoppen". Kurz vor dem Herzinfarkt setze ich eine letzte Meldung ab:

Ich sehe ein, dass ich so nicht weiterkomme und rufe doch bei der Hotline an. Ergebnis: der gleiche Dialogverlauf wie im Chat. Frustriert lege ich auf und versuche es per Mail. Auch dieser Kanal vermag es nicht, meinen Blutdruck zu senken. Sie wollen Fotos, Bestellnummern und kommen zu dem Schluss, dass die Ware nicht von ihnen stammt. Es ist zum Mäusemelken!

Leise schluchzend lege ich mich auf das Riesen-Paket ... Moment! Es sind ja eigentlich zwei, die zusammengeklebt sind. Also schnappe ich mir ein Teppichmesser, trenne beide Pakete vorsichtig voneinander und zum Vorschein kommt: Ein anderes Versandetikett. Adressiert an ein nobles Stoffgeschäft in der Wiener Innenstadt. Jetzt ergibt alles einen Sinn! Der Mr. Porter-Kundenservice hatte also doch Recht. Der Fehler ist bei DHL passiert! Ich versuche mich zu beruhigen, nehme Baldrian in Höchstdosen, trinke Beruhigungstees und sammle mich wieder. Nachdem ich wieder einen menschlichen Blutdruck habe, rufe ich bei der DHL Serviceline an.

Dort schildere ich mein Problem - was nicht ganz so einfach ist. Scheinbar ist die Dame in der Hotline ähnlicher Auffassung - sie legt einfach auf. Mein Blutdruck nimmt schon wieder Anlauf ... Ich rufe nochmal an und werde mit einem sonor klingenden Herren verbunden, der mir mit beruhigender Stimme eine Lösung des Problems verspricht. Zunächst schickt er mir gleich mal ein Retouren-Etikett für die Stoffballen, damit die zum richtigen Adressaten kommen und fixiert auch direkt die Abholung des irrgelaufenen Pakets. Und er verspricht mir, sich auf die Suche nach dem verlorengegangenen Paket zu begeben und mich am nächsten Tag telefonisch zu informieren.

Tatsächlich kommt der Rückruf am darauffolgenden Tag zum vereinbarten Zeitpunkt und der Mitarbeiter hatte tatsächlich gute Nachrichten. Das Paket wurde gefunden! Es war wohl "im Verteilzentrum vom Band gefallen". Klar! Sowas kennen wir ja aus Mafiafilmen. Natürlich hat sich dabei auch der Adressaufkleber gelöst. Nur durch das Öffnen aller (!) „namenlosen“ Pakete konnte unseres durch die innenliegende Rechnung identifiziert werden. Es war ein Freitag und der beste Kundenservicemitarbeiter aller Zeiten im Logistikbereich informierte mich, dass das Paket mit neuem Adresskleber versehen bereits auf dem Weg zu uns ist!

Schon am nächsten Tag kam das Paket an. Ende gut, alles gut! Na ja ... fast alles. Das Armband passte nicht und wurde wieder zurück geschickt! Quasi ein Shakespearestück: Viel Rauch um Nichts.

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