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Interview: Hunde im Büro? Das empfielt der Bundesverband Bürohund

 – Alexander Jünger

So charmant die Idee vom Bürohund auch ist: Die Anwesenheit von Vierbeinern im Arbeitsalltag wirft eine Reihe praktischer, organisatorischer und rechtlicher Fragen auf. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein? Wie gelingt das Miteinander von Mensch und Tier im Büro? Und was sagen die gesetzlichen Regelungen dazu? Antworten darauf liefert Markus Beyer, Erster Vorsitzender des Bundesverbands Bürohund e. V., der sich seit Jahren für tierfreundliche Arbeitswelten einsetzt.

CallCenterProfi: In Call Centern herrschen besondere akustische Herausforderungen - wie bewerten Sie die Integration von Hunden in dieses spezifische Arbeitsumfeld und welche Besonderheiten sind im Vergleich zu anderen Büroumgebungen zu beachten?

Beyer: Die Akustik ist in der Tat eine zentrale Herausforderung in Call Centern. Der konstante Geräuschpegel durch Gespräche und Headsets ist nicht nur für Menschen anstrengend, sondern für Hunde mit ihrem sensiblen Gehör insbesondere für hohe Töne eine noch größere Belastung. Das bedeutet nicht, dass Bürohunde in Call Centern ausgeschlossen sind, aber es erfordert eine deutlich sorgfältigere Planung und strengere Rahmenbedingungen als in einem ruhigen Einzelbüro. Zu den Besonderheiten zählen:

  • Zwingend notwendige Rückzugsorte: Es braucht absolut ruhige, klar definierte Zonen, in die sich der Hund jederzeit ungestört zurückziehen kann – idealerweise abseits der Hauptarbeitsbereiche.
  • Sorgfältige Auswahl der Hunde: Nur besonders gelassene, geräuschunempfindliche und gut sozialisierte Hunde kommen überhaupt in Frage. Eine Eignungsprüfung ist hier noch wichtiger.
  • Strukturierte Anwesenheitszeiten: Möglicherweise sind nicht ganze Arbeitstage für jeden Hund geeignet, sondern kürzere Präsenzzeiten oder rollierende Modelle.
  • Akustische Optimierung des Arbeitsplatzes: Die Einführung von Bürohunden kann auch ein Anlass sein, generell über Schallschutzmaßnahmen nachzudenken, die ja auch den menschlichen Mitarbeitern zugutekommen.

CallCenterProfi: Sie nennen die Bekämpfung psychischer Erkrankungen und Burnout als zentrales Anliegen Ihres Verbandes – welche konkreten, wissenschaftlich belegten Vorteile bieten Bürohunde speziell für Call Center-Mitarbeiter, die einem hohen Stresslevel und emotionalen Belastungen ausgesetzt sind?

Beyer: Call Center-Mitarbeiter leisten oft emotional anspruchsvolle Arbeit unter hohem Druck. Hier können Bürohunde nachweislich positive Effekte haben:

  • Stressreduktion: Studien belegen, dass die Interaktion mit einem freundlichen Hund zur Ausschüttung von Oxytocin führt, was wiederum den Spiegel des Stresshormons Cortisol senken kann. Schon kurze Streichelpausen können helfen, Anspannung abzubauen.
  • Emotionale Regulation: Ein Hund kann als non-verbaler, wertfreier "Ansprechpartner" dienen und helfen, nach schwierigen Gesprächen emotional wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Aber Achtung: Hunde übernehmen dann den Stress der Menschen. Am besten also erst selbst etwas runterfahren und dann den Hund streicheln.
  • Förderung gesunder Pausen: Die Notwendigkeit kurzer Gassirunden zwingt zu Bewegung an der frischen Luft und schafft mentale Distanz zur Arbeit – wichtige Faktoren zur Burnout-Prävention.
  • Verbessertes Sozialklima: Ein Hund kann als "sozialer Katalysator" wirken, Interaktionen im Team fördern und die allgemeine Atmosphäre auflockern. Gerade in einem Umfeld, das oft von Taktung und Effizienzdruck geprägt ist, können diese 'weichen' Faktoren einen signifikanten Beitrag zur psychischen Gesundheit und Resilienz der Mitarbeiter leisten.

CallCenterProfi: Welche drei wichtigsten Handlungsempfehlungen würden Sie einem Call Center-Betreiber geben, der die Einführung von Bürohunden plant, um sowohl optimale Arbeitsbedingungen als auch das Tierwohl sicherzustellen?

Beyer: Erstens: Schaffen Sie eine klare, schriftliche Richtlinie. Diese muss regeln, wer unter welchen Bedingungen einen Hund mitbringen darf, welche Voraussetzungen Hund und Halter erfüllen müssen (Versicherung, Impfung, Verhalten, Schutz der Hunde), wo die hundefreundlichen und hundefreien Zonen sind und wie mit Beschwerden oder Problemen umgegangen wird. Transparenz und Verbindlichkeit sind essenziell.

Zweitens: Implementieren Sie einen sorgfältigen Auswahl- und Zulassungsprozess. Nicht jeder Hund eignet sich für ein Call Center. Prüfen Sie Temperament, Geräuschtoleranz und Sozialverträglichkeit. Ein 'Probe-Tag' oder eine 'Probe-Woche' ist oft sinnvoll. Beziehen Sie das Team mit ein und berücksichtigen Sie Allergien oder Ängste von Mitarbeitern durch klare Regelungen (z.B. hundefreie Bereiche). Wichtig: Der Hund ist niemals nur Mittel zum Zweck, sondern das schwächste Glied. Sein psychisches und physisches Bedürfnis muss an erster Stelle stehen.

Drittens: Definieren Sie klare Verantwortlichkeiten. Wer ist Ansprechpartner für das Thema Bürohunde im Unternehmen? Wer achtet auf die Einhaltung der Regeln? Wer kümmert sich im Notfall? Die Benennung eines "Chief Dog Officers" oder eines kleinen Komitees kann hier Struktur geben und sicherstellen, dass das Tierwohl und die Bedürfnisse aller Mitarbeiter berücksichtigt werden.

CallCenterProfi: Wie beurteilen Sie die wirtschaftlichen Aspekte von Bürohunden im Call Center – können Sie Beispiele nennen, wo sich die Investition in hundefreundliche Infrastruktur durch messbare Kennzahlen wie geringere Fluktuation oder reduzierte Krankheitstage amortisiert hat?

Beyer: Die wirtschaftlichen Aspekte gehen über die reinen Kosten für Körbchen oder Näpfe hinaus. Gerade in der Call Center-Branche mit ihrer oft hohen Fluktuation und den Herausforderungen im Recruiting liegt der größte Hebel im Bereich Employer Branding und Mitarbeiterbindung.

  • Attraktivität als Arbeitgeber: Die Erlaubnis, unter klaren Regeln einen Hund mitzubringen, kann ein entscheidender Faktor sein, um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten – insbesondere in einem angespannten Arbeitsmarkt.
  • Potenziell weniger Krankheitstage: Weniger Stress und eine höhere Arbeitszufriedenheit können sich positiv auf die Fehlzeiten auswirken, auch wenn dies oft schwerer direkt zu beziffern ist.
  • Verbesserte Arbeitsmoral und Produktivität: Ein positives Arbeitsklima fördert Engagement. Die Investition ist also weniger eine in Infrastruktur, sondern vielmehr eine Investition in die Unternehmenskultur und Mitarbeiterzufriedenheit, die sich mittel- und langfristig betriebswirtschaftlich auszahlt.

CallCenterProfi: Welche rechtlichen und versicherungstechnischen Aspekte müssen Call Center-Betreiber besonders beachten, wenn sie Bürohunde zulassen möchten, und wie unterstützt Ihr Verband bei diesen Fragestellungen?

Beyer: Rechtlich und versicherungstechnisch gibt es einige Punkte zu klären:

  • Haftung: Wer haftet, wenn der Hund einen Schaden verursacht (zum Beispiel an Technik)? Hier ist eine gültige Tierhalterhaftpflichtversicherung des Hundebesitzers unabdingbar, deren Nachweis in der Richtlinie verankert sein sollte.
  • Arbeitsrecht: Es braucht Regelungen, die im Einklang mit dem Arbeitsvertrag stehen. Wichtig ist auch der faire Umgang mit Mitarbeitern, die Hunde ablehnen oder Allergien haben (Interessenabwägung, ggf. Anpassung des Arbeitsplatzes).
  • Hausrecht und Zutrittsregelungen: Der Arbeitgeber übt sein Hausrecht aus, wenn er Hunde erlaubt oder verbietet bzw. die Bedingungen dafür festlegt.
  • Tierschutz: Auch wenn es keine spezifische "Bürohund-Verordnung" gibt, gelten die allgemeinen Tierschutzgesetze. Unser Bundesverband Bürohund unterstützt Unternehmen genau hier: Wir bieten geprüfte Mustervorlagen für Richtlinien, Checklisten zur Eignungsprüfung von Hunden, Leitfäden zur Berücksichtigung von Allergikern und stehen für individuelle Beratung zur Verfügung, um Rechtssicherheit zu schaffen und typische Fallstricke zu vermeiden.

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Mehr über Hunde im Büro und wie die Integration - auch in Call und Contact Centern - gelingen kann, erfahren Sie in der Titelstory der CallCenterProfi Fokus-Ausgabe zum Thema "Mensch". Zugriff hier (mit gültigen Zugangsdaten).

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