Interview: Call Center-Dienstleister buw auf dem Weg in ein neues Zeitalter
Die Call Center-Sparte von buw, bis dato Europas größter inhaberführter Kommunikations-Dienstleister, ist an einen US-amerikanischen Konzern verkauft worden. CallCenterProfi hat die beiden Gründer und Geschäftsführer, Jens Bormann und Karsten Wulf, gefragt, warum sie ihr Unternehmen gerade jetzt verkaufen und wie buw von dem neuen Eigentümer profitieren kann.
CallCenterProfi: Herr Bormann, Herr Wulf, die Nachricht war so etwas wie ein Paukenschlag in der vergangenen Woche: Call Center-Sparte von buw verkauft. So spontan, wie es wirkt, war die Entscheidung sicher nicht, oder?
Bormann: Die Entscheidung haben wir im Januar gefällt. Es lief alles wunschgemäß, sodass wir nach sechs Monaten nun den Vertrag mit unserem Wunschpartner schließen konnten. Die Verantwortung für 6.000 Menschen in der heutigen Welt zu übernehmen, stellt sich ganz anders dar als vor zehn, fünf und sogar noch vor zwei Jahren. Es war sicher kein leichter Schritt, aber wir haben uns zu einer Zeit entschieden, in der buw bestmöglich aufgestellt ist. So hatten wir die Möglichkeit, unseren Wunschpartner zu finden. Wir wollten zum besten Zeitpunkt den besten Partner finden.
CallCenterProfi: buw ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. Im vergangenen Jahr war es beim Netto-Roheinkommen (also den ausschließlich mit Call Center-relevanten Dienstleistungen) ein Zuwachs von fast 14 Prozent. Was hat Sie dazu veranlasst, den Unternehmensbereich trotz der guten Performance zu veräußern?
Bormann: Im Grunde sind es drei Punkte: Internationalisierung, digitale und technische Kompetenz sowie die wirtschaftliche Dimension. Der Markt hat sich in den vergangenen zwei Jahren komplett verändert. 50 Prozent der Arbeitsplätze innerhalb der Branche haben den Arbeitgeber gewechselt. Außerdem werden die Auftraggeber zunehmend globaler. Das Problem ist, dass globale Unternehmen wie Apple, Nike oder Microsoft ihre Aufträge nur noch an globale Dienstleister vergeben. Als mittelständischer Dienstleister schafft man es da noch nicht einmal mehr in die Ausschreibungsphase. Der zweite Punkt ist die Digitalisierung. buw ist in Deutschland zwar sehr stark im digitalen Geschäft aufgestellt, aber in Zukunft werden die Anforderungen an Dienstleister noch höher. Um die Wünsche und Erwartungen der Auftraggeber erfüllen zu können, sind millionenschwere Investitionen erforderlich. Für ein Unternehmen mit 6.000 Mitarbeitern ist das schwer zu stemmen. Und drittens machen es die neuen Preismodelle im deutschen Markt mittelständischen Dienstleistern sehr schwer, Aufträge zu übernehmen. Man agiert inzwischen eher wie eine Bank statt wie ein mittelständischer Customer Care-Anbieter.
Wulf: Wir sehen die Zukunft der Branche so, dass es kleine spezialisierte Anbieter mit einem Jahresumsatz bis zu 15 Millionen Euro geben wird. Auf der anderen Seite gibt es die großen Konzerne, die aufgrund ihrer Größe die digitale Transformation besser schultern und die steigenden Anforderungen der Kunden bedienen können.
CallCenterProfi: buw kennt man nicht nur aufgrund des Unternehmenserfolgs, sondern auch wegen seiner besonderen Unternehmenskultur. Sie haben das Unternehmen aus eigener Kraft wachsen lassen und weiter entwickelt. Auch das Thema Mitarbeiter war Ihnen stets wichtig. Wie haben die Mitarbeiter die Nachricht über den Verkauf aufgenommen?
Bormann: Für die Mitarbeiter war es nicht ganz einfach, weil sie sich mit buw identifizieren. Sie sind Teil der buw-Familie. Aber Convergys legt als Unternehmen ebenso großen Wert auf Fairness, und auch die Mitarbeiterorientierung ist ein elementarer Baustein des Unternehmenserfolgs.
Wir haben unsere unternehmerische Verantwortung darin gesehen, dass wir das Unternehmen nicht an irgendeinen Finanzinvestor verkaufen, sondern haben uns unseren Wunschpartner ausgesucht. Die Mitarbeiter freuen sich jetzt auf die Zeit in einem internationalen Konzern, in dem sie sich auch international weiterentwickeln können.
CallCenterProfi: Convergys ist nach eigenen Angaben weltweit die Nummer 2 in der Customer Care-Industrie und betreibt in Berlin ein Call Center mit 600 Mitarbeitern. Gibt es Überschneidungen beispielsweise bei den Kunden mit den buw-Standorten?
Bormann: Nein, Convergys hat nämlich genau die großen Kunden, deren Ausschreibungen wir gar nicht erhalten haben, unter anderem Nike, Apple und Microsoft. Daher ist es die perfekte Ergänzung für uns.
CallCenterProfi: Was passiert mit den buw-Bestandskunden und wie wird sich die Marke weiterentwickeln?
Bormann: Die Kunden profitieren vom riesigen Sprachpotenzial im Portfolio. Außerdem ist Convergys bei technischen Lösungen schon sehr weit, etwa im Bereich Smart Data, und gerade auch bei solchen Angeboten, die Endkunden digital erreichen wie Apps. Aus eigener Kraft hätte buw das gar nicht aufbauen können. Auf der anderen Seite hatte und hat buw ein einzigartiges Kundenportfolio mit nationalen Champions und einer ganz eigenen Kultur. Wir sind Qualitätsführer. Unser Slogan war in den letzten Jahren „Mit buw zur Nr. 1“. Convergys ist die Nummer 2 weltweit und macht sich mit buw nun auf den Weg zur internationalen Marktführerschaft. Convergys wird das gesamte Management übernehmen und an all dem festhalten, was buw in der Vergangenheit ausgezeichnet hat. Operativ wird sich überhaupt nichts ändern – das, was wir unseren Kunden liefern, wird es auch weiterhin geben. Die Marke „ buw“ wird vorerst beibehalten. Nach einer Zeit der doppelten Nutzung wird buw sicherlich ganz in Convergys aufgehen.
CallCenterProfi: Und wie geht es für Sie beide persönlich weiter?
Wulf: Mit dem Closing, das voraussichtlich in der ersten Augustwoche erfolgt, werden wir beide aus dem Unternehmen ausscheiden. Ich selbst werde mir eine Auszeit von einem halbem Jahr genehmigen und dann in einem ganz anderen Bereich wieder unternehmerisch aktiv werden.
Bormann: Ich werde Karsten Wulfs Anteile von an vier Tochtergesellschaften, buw digital, buw consulting, dialogum und DMM Deutsche Mittelstandsmakler übernehmen und weiterführen. Statt für 6000 Mitarbeiter habe ich dann die Verantwortung für rund 70 Mitarbeiter – ein bisschen Start-up-Feeling. Ich freue mich darauf, neue Ideen und neue Konzepte zu entwickeln. Das wird ein spannender neuer Abschnitt.
CallCenterProfi: Mit dem Verkauf der Call Center-Sparte von buw geht eine Ära zu Ende. Neben dem Engagement der Mitarbeiter war die Entwicklung des Unternehmens vor allem auch der Erfolg der Gründer Bormann und Wulf. Bleibt ein bisschen Wehmut?
Bormann: Wir haben buw 1993 mit null Euro Startkapital und null Kontakten gegründet und sind zum größten inhabergeführten Dienstleister Europas geworden. Das haben wir nur durch unser und mit unserem Team geschafft. Wir sind richtig stolz auf unser Team. buw war schon immer besonders: Wir waren besser, schneller und irgendwie anders . Unsere Leidenschaft, unsere Teamgeist, Fairplay und Siegeswille hat enorm zu unserem Erfolg beigetragen. Die Entscheidung, buw zu verkaufen, ist uns nicht leicht gefallen, weil viel Herzblut in unserem Unternehmen steckt. Aber ich glaube daran, dass die Erfolgsgeschichte weiter geschrieben werden muss und sehe unsere unternehmerische Verantwortung darin, dem Unternehmen und den Mitarbeitern eine gute und sichere Zukunft mit neuen Eigentümern zu ermöglichen.
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