CallCenter Profi

Slukas kuriose Welt des Kundenservice: Penetranz als Geschäftsmodell

 – Alexander Jünger

Robert Sluka, Vize-Präsident des österreichischen Call Center Forums, ist seit mehr als 20 Jahren im Customer Care-Bereich tätig und Kenner der Branche. Aber er ist vor allem eines: selbst Kunde. In unserer Serie "Slukas kuriose Welt des Kundenservice" gibt der Call Center-Manager des Jahres 2003 lustige Einblicke in seine Service-Erlebnisse. Heute: Penetranz als Geschäftsmodell.

Die beste Nicht-Ehefrau von allen, also meine Frau, wurde neulich in einem Social Media-Kanal auf einen Ring aufmerksam, der ihr gefiel. Die Webseite „Jeulia.de“ ließ vermuten, dass es sich um einen Anbieter aus Deutschland handelte. Der Preis erschien mit 129 Euro durchaus angemessen, war schnell bestellt und noch schneller via Paypal bezahlt.

Die Versandbestätigung erreichte meine Frau schon fünf Tage später. Dabei machte sie das holprige Deutsch bei der Versandbestätigung („Verfolgen ihre Paket“) schon ein wenig stutzig.

Ja ich weiß, was die geneigte und vor allem aufmerksame Leserschaft jetzt denkt: „Trauring? Na prima!“. Nein, meine Frau wollte mir damit nichts besonderes suggerieren - ihr gefiel der Ring einfach. Also weiter im Text ...

Trotzdem blieb die Skepsis aufgrund des schlechten Deutschs. Sollte der Ring etwa doch nicht aus deutschen Schmuckhochburgen wie Hanau (immerhin 582 Kilometer von Wien entfernt), Berlin (524 Kilometer entfernt) oder Würzburg (501 Kilometer entfernt) stammen? Ein Blick auf die Postnachverfolgung brachte Klarheit - das Schmuckstück sollte demnach ganze 8.611 Kilometer zurücklegen und aus Guangzhou, in der Volksrepublik China, nach Österreich verschickt werden. Putzig! Schließlich verortet das Impressum der Webseite von „Jeulia Juwelier Deutschland – schönste & exklusive Design" den Firmensitz des Schmuckhändlers im schönen Kalifornien (USA). Wie auch immer.

Nachdem Guangzhou anscheinend bei Wien um die Ecke liegt, dauert es nur elf Tage, bis der Ring bei meiner Frau ankommt. 16 Tage nach der Bestellung hält meine Frau also den Ring in Händen und erlebt, was viele Frauen erleben wenn sie einen Trauring in Händen halten: sie ist enttäuscht. Er passt zwar, sieht aber ein bisschen anders aus als auf dem Bild. Außerdem ist er so klobig und breit, dass er am Finger einfach nur komisch aussieht. Ein klassischer Online-Fehlkauf. Und was macht man in solch einem Fall? Richtig! Man sieht sich die Return Policy des Anbieters an.  

Unter den Rückgabe- und Umtauschbedingungen finden wir unter Punkt 1 die folgende Passage: "Ohne Genehmigung zurückgesandte Artikel werden nicht angenommen." Danach folgen noch weitere vier Punkte mit Hinweisen und dann final der Tipp: "Bitte senden Sie Ihre Rücksendung nicht an die auf Ihrem Paket angegebene Adresse. Dies ist nicht unsere Rücksendeadresse und wirkt sich auf die Bearbeitung Ihrer Rücksendung aus." Gut, also nicht nach China senden, sondern erstmal Kontakt aufnehmen und die Genehmigung für die Rücksendung einholen.

Gesagt, getan... kurze Zeit später fanden wir diese Antwort in unserem Posteingang. Eine Jodie vom „Customer Satisfaction Team“ schreibt, dass Sie uns als wertvollen Kunden nicht verlieren wollen, und ob nicht ein Umtausch sinnvoller als eine Retoure wäre - auch weil sie gerade viele Artikel im Sale haben. Meine Frau antwortet Jodie kurz und prägnant. Eigentlich wolle Sie nur den Ring, der ihr aber leider an ihr nicht gefällt. Gerne würde sie ihn deshalb zurück geben, auch weil sie aktuell nichts anderes sucht.

Daraufhin kommt die nächste Antwort von Jodie. Ja es ist wirklich traurig, dass sie den Ring wirklich zurückschicken und nicht gegen einen anderen Artikel umtauschen will. Aber vielleicht ändert ja ihre Meinung, wenn sie einen Rabatt von zehn Prozent auf ihre nächste Bestellung erhält? Versuchen kannn man es ja mal - die Antwort lautet trotzdem immer noch: "No please!" Gut! Dann müssen wir jetzt nur noch ein Foto des Rings an Jodie schicken, damit sie sehen kann, in welchem Zustand er ist und wir erhalten die streng gehütete Rücksendeadresse. Heimlich bin ich froh, dass sie nicht auch noch Geburtsurkunde, Staatsbürgerschaftsnachweis und ein aktuelles Messprotokoll unseres Kaminofens angefordert haben.

Wir machen also das gewünschte Foto und schicken es mit einem kurzen Hinweis per Mail über den großen Teich. Zwei Tage später erreicht uns die Antwort aus dem Customer Satisfaction Team - diesmal darf Grace uns schreiben und die nimmt die Sache mit der Customer Satisfaction anscheinend sehr, sehr ernst, wie ihre Mail vermuten lässt.

Das Übliche halt. Anweisungen, wie alles zu verpacken ist, wo das Paket hingeschickt werden soll usw. Interessant ist dann das, was am Schluss nach dem Hinweis "IMPORTANT" kommt: Demnach hat man - nachdem der Artikel zugestellt wurde - sieben Tage Zeit (inklusive Wochenende und Feiertagen), um den Artikel zurückzuschicken. Wird die Retoure nicht "promptly" zurückschickt, muss der Versender davon ausgehen, dass der Kunde an nicht an einer Rücksendung interessiert sei.

Starke Ansage! Aber was bin ich froh, dass Jeulia.de es nicht schärfer formuliert hat. Sie hätten ja auch schreiben können: „Wir akzeptieren Rücksendung innerhalb von 7 Tagen, allerdings nur, wenn diese an einem 29. Februar verschickt werden. Bitte beachten Sie, dass diese Regelung nicht in einem Schaltjahr gilt.“

Ich hatte dann das Vergnügen, das Paket zur Post bringen zu dürfen. Wir wollten natürlich in der Originalverpackung verschicken und als alter Onlinekäufer hatte ich sogar schon vorab die Zollerklärung für die USA ausgefüllt. Am Postschalter erfahre ich dann, dass meine Fracht gar nicht als Paket in die Vereinigten Staaten verschickt werden kann. Es ist dafür schlicht zu klein. "Sie können es alternativ als 'eingeschriebenen Brief' verschicken" - kostet auch nur 27,05 Euro.

Nachdem Jeulia ja geschrieben hatte, man solle auch die „Tracking Number“ zuschicken, sobald die Retoure unterwegs ist, senden wir diese per Mail. Zur Erinnerung: Wir sind jetzt bei Tag 20 nach der ursprünglichen Bestellung! Kurz nachdem die Tracking Number verschickt ist, meldet sich eine Sabrina vom „Customer Satisfaction Team“ mit folgender Nachricht. Sabrina informiert uns darüber, dass sie die Versandgebühren natürlich nicht erstatten kann und dass der Refundierunsbetrag 106,21 € beträgt. Ich rechne kurz nach: Wir hatten bei der Bestellung zehn Prozent Rabatt erhalten. Also 129 Euro für den Ring bezahlt und 9,90 Euro für den Versand. Wenn wir statt der Rückzahlung unseres Geldes einen so genannten „Store Credit“ (also Guthaben für den Onlineshop) akzeptieren, dann – ja dann – bieten sie uns sogar 116,80 Euro an – also ganze 10,60 Euro mehr.

An sich sind wir jetzt schon mehr als genervt, von der Überkommunikation und antworten deshalb gar nicht erst auf die Offerte. Und dann ... passiert erstmal nichts! Ganze 18 Tage lang! Dann plötzlich wieder ein Lebenszeichen von Jeulia.de oder sollte ich jeulia.com sagen? Sabrina – immer noch im „Customer Satisfaction Team“ - meldet sich. Sie entschuldigt sich erstmal für die Störung und informiert uns, dass sie das Retourenpaket endlich angekommen ist. Natürlich weißt sie auch noch einmal auf den Store Credit hin, der ja viel höher ist als die eigentliche Rückerstattung. Und dann - ENDLICH - stellt sie die alles entscheidende Frage: Rückerstattung auf das originale Zahlkonto oder doch lieber der Store Credit? Kurze, trockene Antwort meiner Liebsten: Wir nehmen die 106,20 Euro auf die ursprüngliche Bezahlmethode. (Sie hatte übrigens, wie schon am Anfang erwähnt, via Paypal bezahlt).

Am nächsten Tag meldet sich Ice vom Customer Satisfaction Team – und inzwischen beschleicht uns das Gefühl, dass wir schon das ganze große Team der Customer Satisfaction kennen. Ice schreibt, dass die 106,20 Euro zurückgezahlt werden, sobald das Paket mit der Retoure ankommt. Wie bitte??? Aber eigentlich würden sie uns lieber 127,44 Euro Store Credit anbieten, was jetzt schon 21 Euro mehr ist, als die Refundierungssumme eigentlich ausmacht. Oder doch eine Auszahlung an das ursprüngliche Bezahlkonto?!

Irgendwie klingt das schon wie bei „Wer wird Millionär“. Meine Liebste überlegt schon, einen „Freund“ anzurufen, schreibt (oder besser SCHREIT) dann aber schon zurück:

"STILL WANT IT TO BE CREDITED TO MY ORIGINAL PAYMENT ACCOUNT!"

Schön! Langsam müsste es schon der minderbemittelste Amerikaner verstanden haben, dass wir keinen Store Credit wollen, sondern das Geld zurück. "Cash in zee Täsch!", wie es so schön heißt. Doch statt endlich mal die Kohle zu überweisen, wendet sich Wendy vom Customer Satisfaction Team mit folgender Nachricht an uns. Letztes Angebot: 138 Euro als Store Credit für zukünftige Einkäufe und der Gutschein läuft nie ab. "Will you consider it?" - ob wir es in Betracht ziehen, will Wendy wissen. Kurze, klare und präzise unsere entsprechende Antwort an Jeulia:

"I don't want to answer any more mails! I WANT A REFUND AND I STILL WANT IT TO BE CREDITED TO MY ORIGINAL PAYMENT ACCOUNT! I don´t want any Store Credit! I want my money back!"

Jetzt müssten es selbst die „Customer Satisfaction-Mitarbeiter“ verstanden haben, die noch zu dumm sind, um aus dem Bus zu winken, verstanden haben. Aber nein, denn Wendy hat noch eine Offerte im Ärmel, mit der noch nicht mal ich gerechnet hätte.

Seit drei Tagen spielen wir jetzt mit Jeulia dieses nervige E-Mail-Ping-Pong und plötzlich schreiben sie uns, dass sie anhand der von uns übermittelten Tracking Number das Paket nicht finden können? Das in Deutschland gebräuchliche „Jetzt reißt mir die Hutschnur“ kommt mir in den Sinn. Trotzdem haben wir für Jeulia eine Antwort parat:

"Are you kidding me?
You wrote to me yesterday you have received the return package!!!
So just refund me the money!!!!"

Zusätzlich schicken wir noch den Screenshot aus der ersten E-Mail mit, in der stand: "Sorry to disturb you! We have received the return package." Für diejenigen, deren Englisch nicht "ze yellow of ze egg" ist: "Are you kidding me", kann durchaus mit „Hey, verarscht ihr mich?“ übersetzt werden.

Aus der großen Abteilung des Customer Satisfaction Teams meldet sich plötzlich Cora. Sie entschuldigt sich für die Unannehmlichkeiten, aber den Artikel, den wir zurück gesendet haben, habe man noch nicht erhalten. Trotzdem wolle man sich schon mal wegen der bevorzugten Erstattungsmethode erkundigen. Eigentlich war ich der Meinung, dass wir schon sehr deutlich klar gemacht haben, dass wir auf Rückerstattung bestehen und keine Lust auf einen Store Credit haben - zumal das mit dem Kundenservice und Umtausch bei Jeulia so mustergültig funktioniert. Aber vielleicht hatten wir das auch zu wenig klar herausgestrichen.

An Tag 41 nach der ursprünglichen Bestellung schicken wir Jeulia einen Screenshot des Posttrackings. Das besagt, dass unsere Rücksendung vor fünf Tagen bei Jeulia eingegangen ist. Und warum konnte das große Team der „Customer Satisfaction“ nichts unter unserer übermittelten Trackingnummer finden Die Antwort wird uns klar, als wir uns die Antwortmail von Jeulia anschauen, in der auch deren Tracking-Informationen angegeben sind.


Sie hatten tatsächlich auf der Seite der „Australian Post“ nach der Trackingnummer gesucht. Gut! Austria und Australia sind auch für ausgewiesene Experten nur schwer zu unterscheiden. Selbst für mich, da ich in Wien häufiger mal auf dem Didgeridoo spiele und meinen Boomerang nach Tasmanischen Teufeln werfe!

Jedenfalls antwortet Jeulia nicht mehr auf unsere letzte E-Mail, in der wir nachweisen konnten, dass die Retoure bereits zugestellt wurde. Statt dessen wird mir schlagartig klar, wie global unsere doch so kleine Welt inzwischen geworden ist: Vermeintlich in Deutschland bestellt, aus China geliefert, in die USA zurückgeschickt, in Australien gesucht und nicht gefunden und schließlich in Österreich geärgert! Prima, oder?

Wir machen letztlich noch einen Fall bei Paypal auf und - siehe da - vier Tage später sind die 106,20 Euro auf "the original payment account" wieder gutgeschrieben. Gott sei Dank! Denn wo Jeulia sich seinen Store Credit hinstecken hätte können, wäre der uns noch einmal angeboten worden, können Sie sich als geneigte Leserschaft sicher vorstellen.

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