CallCenter Profi

Slukas kuriose Welt des Kundenservice: Ein Auto das nicht fährt, ist die Kreditkarte nicht wert

 – Alexander Jünger

Robert Sluka, Vize-Präsident des österreichischen Call Center Forums, ist seit mehr als 20 Jahren im Customer Care-Bereich tätig und Kenner der Branche. Aber er ist vor allem eines: selbst Kunde. In unserer Serie "Slukas kuriose Welt des Kundenservice" gibt der Call Center-Manager des Jahres 2003 lustige Einblicke in seine Service-Erlebnisse. Heute (sehr frei nach Fredl Fesel): Ein Auto das nicht fährt, ist die Kreditkarte nicht wert.

Wie jede Heldenstory beginnt auch diese mit dem Scheitern des Helden. In meinem Fall war es eine Internetzahlung mittels Kreditkarte. Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gefühl. Es war ein schneller, spontaner Impulskauf und danach erst googelte ich die Seite, auf der ich eingekauft hatte. Die Seite wurde als dubios eingestuft! Ich rief sofort bei meinem Kreditkarteninstitut an und ließ meine Karte sperren. So weit so gut! Nach ein paar Tagen war die neue Kreditkarte da und dann begann das Spiel: Wo überall hatte ich bisher meine Kreditkarte hinterlegt und wo muss ich daher die Daten aktualisieren?

Doch zurück zur eigentlichen Geschichte: Ich besitze seit Jahren kein eigenes Auto mehr. Wozu auch? Hat Wien doch eines der besten öffentlichen Verkehrsnetze der Welt und noch dazu zu einem sehr moderaten Preis. Eine Jahreskarte kostet 365 Euro pro Jahr.

Natürlich besaß auch ich lange Zeit ein eigenes Auto. Als diese Geldvernichtungsmaschine auf vier Rädern wieder einmal bei der jährlichen Überprüfung (in Österreich „Pickerl“ genannt – was dem deutschen TÜV entspricht) in der Werkstatt meines Vertrauens stand, rechnete ich wieder mit einer saftigen Reparaturrechnung. Am Abend rief mich mein Mechaniker an. Er hatte keine guten Nachrichten. Eigentlich formulierte er es wie „Pille“ auf Raumschiff Enterprise: „Er ist tot, Jim“. Alle vier Radkästen waren schwerstens durchgerostet. Dass meine Karre nicht wie in einem Louis de Funes Film während der Fahrt in alle Einzelteile auseinanderbrach, glich einem Wunder. An sich hätte ich auch wie Fred Feuerstein mit den Füßen anschieben können – so groß waren die Rostlöcher! Ein Blick auf mein Fahrtenbuch brachte die ganze Wahrheit ans Licht: Nicht einmal 3.000 Kilometer im Jahr! Zeit also, sich von dieser unnötigen „Droge“ zu befreien. Als Dieseljunkie stieg ich wieder auf die Öffis um und bilde mir parallel dazu auch ein, auf meinem E-Scooter mindestens um 20 Jahre jünger zu wirken. Ach du süße Macht der Gedanken, verlass mich nicht!

Für Einkaufsfahrten oder die bekannte „Landpartie“ mit der besten Nicht-Ehefrau von allen habe ich immer noch meine Anmeldung beim Mitarbeiter-Carsharing der ÖBB. Überdies bin auch begeisterter Nutzer der "ShareNow"-App, die ich plötzlich wieder einmal nutzen musste. Und siehe da – Sie erinnern sich an den Prolog – ich hatte die neue Kreditkarte noch nicht in der App hinterlegt. Nichts leichter als das! Ich bin App-affin und weiß was ich zu tun habe. Ruck, Zuck und schon… wird meine Kreditkarte nicht angenommen. Sie lässt sich einfach nicht hinterlegen! Okay ... ich probiere es nochmals, ein drittes, viertes, fünftes Mal. Immer erfolglos! Ich (beziehungsweise die App) schaff es nicht. 'Shit!', denke ich, 'ich brauche das Auto aber heute!'

Ich rufe also einfach mal bei der Hotline an, schildere mein Problem und höre dann die drei Buchstaben, die kein Anrufer nicht hören: "Puh!" Ja genau! Das "Puh" wie in „Puh der Bär“ oder Puhdel! Ja ich weiß! Der schreibt sich ohne "h", aber Sie wissen was ich meine: Diese drei knappen aneinander gereihten  Buchstaben, die Unkenntnis, Unwissenheit und Ahnungslosigkeit ausdrücken. Die Mitarbeiterin am Telefon machte den grandiosen Lösungsvorschlag, ich möge doch bitte die App einmal schließen und neu öffnen. "Dann sollte es gehen!"

"Und wenn nicht?", frage ich ungläubig. Dann solle ich bitte eine E-Mail schreiben, damit sich die Techniker bei mir melden können. Also einmal die App geschlossen und wieder gestartet: Nix! Auch der Neustart des kompletten iPhones bringt keinen Erfolg. Also schreibe ich die gewünschte Mail, dass meine gewünschte Zahlungsmethode nicht funktioniert:

" ... Lustig ist dass nicht! Wollte mir jetzt ein ShareNow-Auto für mehrere Stunden mieten - und kann nicht!

ICH ERWARTE EINE RASCHE LÖSUNG MEINES PROBLEMS.

An der Kreditkarte kanns nicht liegen. Ich konnte damit schon bei anderen Firmen zahlen. Anscheinend bin ich Euch als Kunde nicht wichtig!

Mit sehr verärgerten Grüßen - Robert Sluka"

Zügig erhalte ich die automatisierte Antwort:

„Vielen Dank für deine Nachricht.
Dein Anliegen ist bei uns mit der Vorgangsnummer xxxxxxx eingegangen.

Wir erhalten derzeit ein höheres Volumen an Anrufen und E-Mails als normal, deswegen kann unsere Reaktionszeit bis zu 7 Tage in Anspruch nehmen.Wir wissen wie frustrierend das sein kann, wir bitten aber um etwas Geduld. Wir werden uns so schnell wie möglich mit dir in Verbindung setzen!

Viele Grüße, Kundenservice“

Letztlich muss ich mir also selbst helfen! Ich kenne inzwischen alle Untermenüs der ShareNow-App und hinterlege statt meiner Kreditkarte einfach meine IBAN. Klappt einwandfrei! Warum hat mir das die Dame der Hotline nicht als Alternative geraten? Mmh! Vielleicht bin ich der einzige Kunde, der das Problem mit der Kreditkarte hat und bei Millionen von ShareNow-Kunden klappt alles einwandfrei? Könnte ja sein! (Ja, ich bin Optimist!) Am Abend jedenfalls klappt die Buchung des ShareNow-Autos einwandfrei und zwei Tage nach der Fahrt kommt die Ankündigung der SEPA-Lastschrift.

Viele ShareNow-Fahrten später erreicht mich dann eine E-Mail, die sehr nett beginnt:

„Hallo Robert,
vielen Dank, dass du uns kontaktiert hast.

Entschuldige bitte, dass du so lange auf eine Rückmeldung warten musstest. Leider haben wir momentan sehr viel zu tun, so dass es zu einem Bearbeitungsrückstau gekommen ist. Es tut uns leid, dass du Probleme dabei hattest, deine neue Kreditkarte im Account zu hinterlegen.“

Dieser Satz: „Entschuldige bitte, dass du so lange auf eine Rückmeldung warten musstest. Leider haben wir momentan sehr viel zu tun, so dass es zu einem Bearbeitungsrückstau gekommen ist.“ Mehrmals lese ich diesen Satz und muss danach laut lachen! Die Mail erreicht mich 64 (!!!) Tage, nachdem ich ShareNow kontaktiert hatte. "Bearbeitungsrückstau"? Kann man so stehen lassen!

Konklusio jedenfalls: Es muss an meiner Karte liegen und ich möge mich bitte an meine Bank wenden. Es liegt an der Authentifizierung! Schönes Wort! Wenn man es bei Scrabble legt, hat man gewonnen. 64 Tage haben sie also gebraucht, um mir zu sagen, dass das Problem bei meiner Karte liegt.

Ich schreibe zurück:
„Es ist wie bei Beziehungsproblemen. Es liegt nicht an mir - es liegt an Euch!
Ich komme nicht mal bis zum Verifizierungsversuch. Er lehnt meine Karte sofort ab. Eine Karte die ich jetzt schon - ob Eurer schnellen Antwort - 2 Monate besitze. Ich kann damit überall bezahlen! Auch auf anderen Homepages! Nur bei Euch klappt das nicht!

ÄRGERLICH! Sehr, sehr ÄRGERLICH!!!
Aber anscheinend gibt es da von Eurer Seite her keine Lösung!
Robert“

Diesmal brauchen sie keine 64 Tage, sondern antworten gleich am nächsten Tag:

„Hallo Robert,
vielen Dank für deine Rückmeldung.

Das ist natürlich ärgerlich zu erfahren, dass du deine Kreditkarte nicht hinzufügen kannst. Kannst du mir verraten, um was für eine Kreditkarte es sich handelt? Airplus, JCB und Diners Club werden von ShareNow nicht unterstützt.Du kannst uns auch einen Nachweis erbringen deiner neuen Kreditkarte, dass du der Inhaber mit dieser Nummer bist und wir werden die Daten ausnahmsweise für dich einpflegen.

Bitte lass es uns wissen, falls du noch eine Frage dazu hast.
Ich wünsche dir noch ein schönes Wochenende“

Ich schicke also meine Kreditkartendaten und erhalte auch sofort wieder eine Antwort:

„Hallo Robert,
vielen Dank für deine Kreditkartendaten.

Anhand der Daten kann ich erstmal kein Problem ausfindig machen. Ich ersehe auch, dass dein Handy das neueste Update besitzt. Daher kann ich hier schon mal einen relevanten Punkt ausschließen.“

Danach erhalte ich noch eine Anleitung, wie ich die Karte hinterlegen kann:
„Wenn du nun eine Fehlermeldung erhältst, erstelle bitte einen Screenshot, sodass ich deinen Fall an unsere Technik weiterleiten kann. Mir fehlt leider auch der Button, um deine Kreditkarte hinzufügen zu können.“

"What?" Erst schreibt man mir: Schick uns deine Kreditkartendaten und wir hinterlegen sie „ausnahmsweise“ und jetzt fehlt der Button? OMG! Ein Kundenserice-Mitarbeiter ohne Button! Ich habe fast Mitleid. Wie soll man hier guten Kundenservice leisten – ohne Button! Aber echt!!!

Ich mache jedenfalls den Screenshot des Fehlers und schicke ihn mit einem verzweifelten oder doch eher zynischen Begleittext an ShareNow:

„ ... hier ein Screenshot der Fehlermeldung. In anderen Apps konnte ich meine Kreditkarte sehr wohl verifizieren. Und meine Bank hat mir auch bestätigt das mit der Kreditkarte alles in Ordnung ist! Ich könnte jetzt natürlich warten, bis meine Karte im Jahr 2026 ausläuft - aber vielleicht schaffen wir es ja vorher, die Kredikarte als Zahlungsmittel zu hinterlegen!?“

Sieben Tage später (ganze sechs Tage länger als sonst, aber immerhin 57 Tage schneller als bei der Erstantwort) schreibt mir ShareNow:

„Hallo Robert,
vielen Dank für deine Rückmeldung und das Zusenden der Fehlermeldung.

Damit wir das Problem schneller aus der Welt schaffen können, wäre es super, wenn du meinen Kollegen einen App Log schickst. Dieser automatisch generierte Text gibt uns bessere Einblicke in deine App-Nutzung. Den App Log kannst du ganz einfach erstellen.“

Es folgt die genaue Anweisung, wie ich das machen kann und die Nachricht endet mit den Worten:
„Danke für deine Mithilfe und Geduld! Wir werden uns so schnell wie möglich mit dir in Verbindung setzen.“

Ich mache also den gewünschten App Log und schicke ihn an ShareNow. Seitdem sind (Stand jetzt) 95 Tage vergangen - seit dem Erstkontakt sogar 203 Tage! Ich bin mir sicher, dass ShareNow mein Problem noch lösen wird. Wenn nicht, klappt es vielleicht in knapp fünf Jahren mit der nächsten Kreditkarte. Wie gesagt: Ich bin Optimist!

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