CallCenter Profi

Interview zur aktuellen TGMC-Gehaltsstudie: "Nichts ist so beständig wie der Wandel"

 – Alexander Jünger

Über die Ergebnisse der "Großen Contact Center-Gehaltsstudie 2017" sprachen wir mit Markus Alpers, geschäftsführender Gesellschafter der TGMC Recruiting Services GmbH.

CallCenterProfi: Herr Alpers, erstmals ist seit 2013 wieder eine Call und Contact Center Gehaltsstudie von TGMC erschienen. Wieso die lange Pause?
Alpers: Statt des bisherigen Rhythmus von zwei Jahren haben wir diesmal drei Jahre gebraucht. Die Verlängerung ist entstanden, als wir in der Konzeptphase klar erkannten, dass die Studie technisch, organisatorisch, inhaltlich und vor allem konzeptionell verändert werden muss. Grund hierfür ist eine starke Veränderung des Arbeitsumfeldes Contact Center. Wir wollten die Studie diesen neuen Bedingungen anpassen und Fragen aus den Themenbereichen Multichannel, Online-Kommunikation, Social Media einbinden.

Außerdem haben wir uns für eine Online-Version der Befragung entschieden und diese in der Fragestellung und Technik völlig neu aufgesetzt. Ich bin sehr froh, dass wir für diesen Relaunch der Studie die professionelle Unterstützung der Marktforscherinnen von der SAVVY Research GmbH gewinnen konnten. Vergleicht man die Studienergebnisse mit denen aus den Vorgänger-Studien ist zu erkennen, dass sich die Mühe gelohnt hat.

CallCenterProfi: Seit diesem Jahr ist die Darstellungsform der Ergebnisse eine andere und auch bei den Inhalten gibt es Veränderungen. Zwar stehen die Gehälter weiterhin deutlich im Vordergrund – die Erhebung greift aber auch andere aktuelle Themenbereiche der Call und Contact Center-Branche auf, die bisher nicht berücksichtigt wurden. Warum die Anpassung?
Alpers: Wie die Contact Center-Branche selbst, muss auch unsere Studie mit der Zeit gehen. Es war uns wichtig, Trends zu beleuchten und Neuigkeiten herauszufinden. In einem so veränderungsintensiven Umfeld, wie der Kundenkommunikation sind Fragen nach Online-Medien und Multichannel-Anwendungen, nach der Auswirkung des Mindestlohns und der Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen einfach ein Muss. Durch den demografischen Wandel und die Nahezu-Vollbeschäftigung in Deutschland haben sich aber auch die Herausforderungen im Personalbereich – insbesondere im Recruiting - und damit bei den Personalberatern stark verändert. Daher führten einige Änderungen der Studie auch aus diesem Blickwinkel zu sehr interessanten und validen Ergebnissen.

CallCenterProfi: Die erste Call und Contact Center Gehaltsstudie von TGMC erschien vor 20 Jahren. Auch wenn sich Inhalte, Teilnehmer und Methodik inzwischen geändert haben: In welchen Bereichen  sehen Sie rückblickend die größten Veränderungen?
Alpers: Die Contact Center-Gehaltsstudie zeigt im Verlauf dieser 20 Jahre in vielen Bereichen eine wiederholte Anpassung der Branche an rechtliche, technische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen auf. Um einige Beispiele zu nennen: Die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes, der resultierende Wettbewerb sowie Innovationsschub und Preisverfall, haben der Branche nicht nur Mehrwert- und TollFree-Nummern mit erheblichen Routingvorteilen, sondern auch günstige Verbindungskosten und Flatrates beschert. In der Folge wurden regional verteilte Service- und Bestellbüros zu großen Call Centern zusammengefasst, was zu erheblichen Synergieeffekten führte. Die Verlagerung von Arbeitsmengen in das lohnkostengünstigere Ausland führte zur Absenkung der Faktorkosten Arbeit.

Arbeitskosten - in der personalintensiven Contact Center-Welt der Kostenfaktor Nummer EINS – haben sich aber auch innerhalb Deutschlands stark verändert. Der klare Trend nach der deutschen Wiedervereinigung, Contact Center in den neuen Bundesländern zu errichten, hat insbesondere bei den Dienstleistungs- und BPO-Unternehmen zu einer starken Ost-Orientierung geführt. Diese Tendenz wurde zunächst durch die Einstellung der Wirtschaftsförderung auf die Lohnsummen gedrosselt und mit der Einführung des Mindestlohns gestoppt. Derzeit ist ein Trend zu Contact Center-Standorten in den westlichen Bundesländern zu erkennen.

Durch die annähernde Vollbeschäftigung in der deutschen Wirtschaft sind heute besonders in der Contact Center-Branche erhebliche Rekrutierungsengpässe zu verzeichnen. Dies mag an selbstgemachten Imageproblemen, der Attraktivität der Großraumarbeitsplätze sowie den vermeintlich geringen Verdienstmöglichkeiten liegen. Diese Faktoren lassen die Arbeit im Call Center im Wettbewerb zu anderen Branchen weniger interessant erscheinen. Fakt ist, dass es über die letzten Jahre immer schwieriger und kostenintensiver wurde, geeignetes Personal zu finden und so den Qualitäts- und Serviceanspruch zu halten. Quasi als Nebenwirkung haben die Möglichkeiten, aus eigenen Reihen Führungskräfte zu entwickeln, ebenfalls stark nachgelassen. Da dieser Engpass die gesamte Branche betrifft, ist auch die externe Suche nach Fach- und Führungskräften zur Herausforderung geworden.

Aus der Arbeitsmarktsituation ergibt sich eine weitere Veränderung: Unternehmen planen verstärkt neue Standorte, die mit 200 bis 300 Mitarbeitern eher kleiner ausfallen. Nach dem Motto „Lieber kleinere und dafür mehr Standorte“ wird das Rekrutierungsrisiko auf viele regionale Arbeitsmärkte verteilt und so saisonale und wettbewerblich Stärken und Schwächen der Standorte ausgeglichen. Kleinere Standorte haben aber noch einen weiteren Vorzug: Fußballfeldgroße Call Center-Standorte mit 1.500 Mitarbeitern und mehr erzeugen bei Mitarbeitern schnell das Gefühl nur einer unter vielen zu sein. Nicht selten wird dies durch unpersönliche und wenig wertschätzende Führung noch unterstrichen. Hier liegen die Wurzeln für die ausgesprochen bedenkliche Entwicklung von Krankenquote und Fluktuation in der Branche.

Neben diesen Veränderungen hat sich auch die Leistungserbringung stark gewandelt. Die Methoden der Qualitätssicherung und des Prozessmanagements sind viel professioneller geworden. Vor allem die Integration fortschrittlicher Technologien hat dazu beigetragen: Telefonie, ACD und Dialer sind beispielsweise zum Standard geworden. CTI war der Einstieg in die Zusammenführung der Kommunikationskanäle, was einen klaren Multichannel-Ansatz in der Kundenkommunikation ermöglicht. Aber nicht nur die Vielfalt der Kanäle, auch der Inhalt der Kommunikation stellt steigende Anforderungen an die Mitarbeiter aller Ebenen. Nicht selten erledigen Kunden einfache Vorgänge – wie etwa Bestellungen und Auskünfte – selbst im so genannten Self Service-Portal. Gleichzeitig sind die Erwartungen der Kunden an Serviceorientierung, Qualität, Kompetenz und Lösungsstärke der Kundenberater deutlich gestiegen.

Dies sind sicherlich nur einige Beispiele wie sich die Branche in den letzten 20 Jahren verändert hat. Für mich wird ganz klar: Nichts ist so beständig wie der Wandel. Und ich bin sehr gespannt, welche Entwicklungen dies in der Zukunft mit sich bringen wird.

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Mehr zum Gehaltsgefüge in deutschen Call und Contact Centern auf Basis der "Großen Contact Center-Gehaltsstudie 2017"lesen Sie in der aktuellen Titelstory im Fachmagazin CallCenterProfi. Sie finden den Artikel hier im Online-Archiv.

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