CallCenter Profi

Thüringen

 – Steffanie Gohr

4.000 Agents arbeiten in Thüringen in 40 Call Centern, vor allem Erfurt und Jena sind Call Center Hochburgen. Schwerpunkt der Branche: Technischer Support im Inbound. Eine Full Service-Betreuung für ansiedlungswillige Call Center Betreiber erfolgt durch die LEG Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen.

"Die Telefondienstleister haben in Thüringen im Branchenmix einen hohen Stellenwert", sagt Birgit Schröder, zuständig für Akquisition und Internationale Kontakte bei der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) Thüringen mbH. Thüringen sei sehr dienstleistungsorientiert. "Die Branche hat in Thüringen seit 1996 etwa 5.000 Arbeitsplätze geschaffen. Die Firmengröße liegt im Schnitt bei 100 Mitarbeitern, 75 Prozent arbeiten in einem Viertel der (größeren) Unternehmen, die sich auf den Standort Erfurt konzentrieren. Es handelt sich um sehr hochwertige Call Center." Der Markt der Beschäftigten teilt sich laut Schröder zu je 40 Prozent in User Help Desk und Telekommunikationsdienste, 20 Prozent sind im Bereich Telemarketing/Tourismus im klassischen Direktmarketing tätig. Der Direktmarketingbereich hole derzeit stark auf. Die Fluktuationsrate in der Call Center Branche liege unter fünf und der Krankenstand unter vier Prozent, da die Branche technisch ausgerichtet und die Mitarbeiter hoch qualifiziert seien: Rund 63 Prozent der Agents haben einen Facharbeiterabschluss, rund 15 Prozent einen Universitäts- oder Fachhochschulabschluss. Dabei liegen die Arbeitskosten weit unter dem Schnitt der alten Bundesländer, und der Lohnkostenvorteil von rund 20 Prozent wird laut Schröder auch über die kommenden Jahre erhalten bleiben. Die Ansiedlungsexpertin lobt aber auch die moderne Verkehrs- und TK-Infrastruktur von Thüringen sowie seine zentrale Lage.

Eigener Branchenvertreter in der Wirtschaftsförderung

Die LEG Thüringen ist eine Tochtergesellschaft des Freistaates und für die Wirtschaftsförderung des Landes zuständig, von der Investorensuche bis zum Gewerbeflächen- und Immobilienmanagement. Sie kooperiert eng mit Kommunen, Städten und Landkreisen. Die Call Center Branche wird in der Landesgesellschaft durch einen eigenen Branchenverantwortlichen vertreten, der Kontakt zu den Unternehmen im Netzwerk hält und ansiedlungswillige Unternehmen von der Erstanfrage über die Neugründung bis hin zum Investment-after-care betreut. Der Branchenvertreter arbeitet eng mit den Kommunen zusammen und nimmt regelmäßig teil an den Frühjahrs- und Herbsttagungen des Branchenverbandes Call Center Forum Deutschland e.v.

Weitere Förderungen für Call Center Vorhaben bietet das EU-Programm "Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", kurz GA-Programm, das sach- oder lohnkostenbezogene Investitionsförderung gewährt. Die ausreichende Bank ist die Thüringer Aufbaubank. Die Unternehmen in Thüringen haben außerdem die Möglichkeit, die Rekrutierung von Mitarbeitern aus der Arbeitslosigkeit und die Auswahl und Qualifizierung vor Einstellung über die Arbeitsagenturen bis zu 100 Prozent bezuschussen zu lassen. Für innerbetriebliche Qualifizierungsmaßnahmen können nach Einstellung Mittel des Europäischen Sozialfonds beantragt werden, deren Höhe von der Art der Maßnahme abhängt. Insgesamt wurden die EU-Fördergelder allerdings reduziert und seit Ende 2004 auch die Fördermöglichkeiten für Call Center stark eingeschränkt, so Schröder. Projekte im Call Center Bereich werden nur noch nach Einzelfallprüfung aus dem EU-Programm Gemeinschaftsaufgabe gefördert - geprüft werden Lohnniveau, Art der Tätigkeit, Anzahl der Arbeitsplätze, möglicher Struktureffekt für die Region, Innovationen etc. Vorhaben der Softwareentwicklung und der Datenverarbeitung gelten hingegen weiterhin als uneingeschränkt förderfähig. „Diese Regelung ist der Grund, warum Thüringen seit 2004 keine Großvorhaben im Call Center-Bereich mehr gewinnen konnte“, bedauert Schröder.

Große Inbound-Call Center mit technischer Spezialisierung

Thüringen hat jahrhundertelange Traditionen in der Elektrotechnik, Elektronik, im Maschinen- und Fahrzeugbau, in der Metallverarbeitung und im Ernährungsgewerbe, betont Birgit Schröder von der LEG Thüringen. Herausragende Bedeutung gewinne derzeit die Solarbranche. Deshalb konzentriere sich Thüringen auch in seiner Förderpolitik für Neuansiedlungen auf Zukunftstechnologien. Die Call Center Branche in Thüringen habe sich daher auf technische Dienstleistungen spezialisiert, vorrangig auf Telefonservices für Hard- und Software, mit Auftraggebern aus den Bereichen Automotive, dem Banken- und Finanzsektor und aus dem Handel (Kassensysteme). Birgit Schröder merkt an: "Diese Spezialisierung ist nicht zuletzt der hohen technischen Affinität der Thüringer zu verdanken. Thüringer Mitarbeiter haben diesbezüglich eine hohe Reputation."

Die technischen Dienstleistungen werden in erster Linie in großen Inbound-Unternehmen erbracht, sagt Thomas Rex, Geschäftsführer des Erfurter Personaldienstleisters und Bildungsträgers Makotech, der sich auf den IT-Bereich spezialisiert hat: "Thüringen ist das Land der klassischen Inbound-Call Center. In Erfurt sind rund 80 Prozent der Call Center auf Inbound spezialisiert. Aufgrund des hohen Anrufvolumens im Inbound wird er vor allem von größeren Unternehmen geleistet, etwa von der Sellbytel Group oder von Inhouse Call Centern wie mobilcom-freenet, T-Com oder der IBM-Tochter csg Helpline Service GmbH." Allein Erfurt zähle über 3.000 Angestellte im Call Center-Bereich, mobilcom beschäftige 600 Agents Sellbytel über 300. Tendenz steigend.

Lobby-Arbeit gegen den Personalmangel

Da der Markt zwischen den Branchengrößen bereits aufgeteilt ist haben es kleinere Call Center schwer, sofern sie keine Nische besetzen. Das tut Makotech mit einem sechsköpfigen Call Center Team seit 2006: Für regionale Unternehmen wie Autohäuser werden Inbound- und Outbound-Projekte gefahren, von der Terminkoordination für den Außendienst bis hin zum telefonischem Nachfass in integrierten Kampagnen. Doch die Großen haben auch ihre Probleme, denn es wird immer schwieriger, den Personalbedarf zu decken, beobachtet Personalexperte Thomas Rex: "Die Anzahl derer, die mit wenig Qualifizierungsarbeit für den Job als Agent fit gemacht werden können, sinkt." Die Lösung sei Lobby-Arbeit und bessere Transparenz des Berufsbildes Call Center Agent. So habe die Bundesagentur für Arbeit mit den Call Center-Betreibern erstmals Anfang 2007 eine Call Center-Messe in Erfurt abgehalten, auf der die Dienstleister sich auf Infoständen präsentierten. Immerhin 1.500 Interessenten wurden gezählt. Makotech führt zusätzlich monatlich drei bis vier Veranstaltungen in Erfurt durch, um potenzielle Mitarbeiter zu informieren - und für eine Laufbahn im Call Center zu begeistern.

Standort-Statement von Birgit Geffke,

Standortleiterin/Bereichsleiterin Customer Service und BKM bei der mobilcom-freenet AG in Erfurt

"mobilcom-freenet ist in Thüringens Wirtschaft seit Jahren eine feste Größe. Im Jahr 2001 zentralisierte die damalige mobilcom AG sämtliche Customer-Care-Aktivitäten nach Erfurt. Für Erfurt sprechen begeisterungfähige und freundliche Mitarbeiter mit wenig Dialekt und die zentrale Lage, die eine perfekte Vernetzung der mobilcom-Standorte sichert. Als besonders hilfreich erwiesen sich dabei die gute Zusammenarbeit und die Unterstützung des Landes Thüringen, etwa mit der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG), sowie äußerst günstige Standortbedingungen. So ist Thüringens Landeshauptstadt zentral gelegen und verfügt über hervorragende Verkehrsanbindungen. Der Erfurter Servicestandort des Telekommunikations-Unternehmens zählt heute rund 640 Mitarbeiter, die zum größten Teil über verschiedene Kanäle im direkten Kundenkontakt stehen. Zudem sind in Erfurt das Bestandskundenmanagement, das Trainerteam und das Projekt- und Qualitätsmanagement ansässig. Ein Großteil der Agents ist im Inbound tätig, beantwortet Kundenfragen zu den Themen Vertrag, Tarife, Zahlung und führt Kundenbindungsprojekte durch. Im Outbound geht es hauptsächlich um Kundenrückgewinnungsprojekte. Gerade nach der Fusion und der damit verbundenen Entwicklung zu einem Universalanbieter für Telekommunikation bieten sich spannende Perspektiven. Allein im Mobilfunkgeschäft sorgen etwa mobiles Internet, Handy-Navigation oder Videotelefonie immer wieder für Aufklärungsbedarf beim Kunden.

Kompetenzen stärken

Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter arbeitet mobilcom-freenet bis heute sehr gut mit der Agentur für Arbeit zusammen. Nicht nur von dieser Seite sondern auch von der LEG erfährt das Unternehmen Unterstützung in Form von Beratung. Zudem wird derzeit die Zusammenarbeit mit den Universitäten und Hochschulen intensiviert, um auch Studenten die Möglichkeit zu geben, nebenberuflich tätig zu werden und nach Abschluss ihren Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern. In diesen Bereich fällt auch die Ausbildung: Am Standort Erfurt werden jährlich zehn Ausbildungsplätze zum Beruf Kauffrau/mann für Dialogmarketing geschaffen. mobilcom-freenet setzt auf einen kontinuierlich hohen Beratungs- und Servicestandard. Aus diesem Grund führen firmeninterne Fachtrainer regelmäßige Produkt-, Kommunikations- und Verkaufsschulungen durch, zusätzlich gibt es Coaches, die ständig mit den Mitarbeitern arbeiten und ihnen helfen, die Gespräche fachlich, inhaltlich und kommunikativ ständig zu verbessern. Daneben arbeiten wir auch mit Bildungsträgern zusammen – der Bildungsträger Makotech hat uns in der Aufbauphase, damals noch unter anderem Namen, sehr dabei unterstützt, die geeigneten Call Center Agenten zu finden, auszubilden und bei entsprechender Eignung einzustellen. Künftig plant mobilcom in Thüringen, die Servicequalität des Servicecenters weiter zu steigern und den Kundenbestand auszubauen."

Interview mit Eva Rath,

Geschäftsführerin und Leiterin csg Helpline Service Erfurt

(100-prozentige Tochtergesellschaft der IBM Deutschland GmbH)

CallCenterProfi: Wann wurde die csg Helpline Service gegründet und wie viele Mitarbeiter beschäftigt sie?

Eva Rath: Der Unternehmensbereich Helpline Service wurde 1996 in Erfurt gegründet. Im Jahr 2000 wurde ein weiterer Helpline-Standort in Leipzig eingebunden. Über 1.000 Mitarbeiter, vorwiegend IT-Spezialisten, sind heute im Kunden-Support tätig, 800 davon in Erfurt.

CallCenterProfi: Warum hat sich Helpline für den Standort Erfurt entschieden?

Eva Rath: Bei der Entscheidung für den Standort Erfurt spielte damals die Wirtschaftsförderung der thüringischen Landesregierung eine Rolle, aber mehr noch das in der Region vorhandene Mitarbeiterpotenzial, begünstigt durch die Erfurter und Ilmenauer Hochschulen. Nach unserem explosionsartigen Wachstum in der Anfangszeit stießen die Personalressourcen jedoch an ihre Grenzen, die Mitarbeiter kamen immer öfter aus dem Umland. Deshalb die Gründung des Standortes Leipzig im Jahr 2000.

CallCenterProfi: Wo liegen die Aufgabenschwerpunkte?

Eva Rath: Als IBM-Tochter bietet der Helpline Service Erfurt herstellerunabhängigen IT-Support für alle Fragen und Probleme im IT Hard- und Software-Umfeld, und das rund um die Uhr. Zu den Aufgabengebieten gehören kundenindividuelle Services wie User Help Desk, Hotline für Hard- und Software, Call-Management-Center, Netzwerkmonitoring/-management und Firewall Services auf nationaler und internationaler Ebene. Kann der HelpDesk-Mitarbeiter das Problem am Telefon nicht lösen wird ein Techniker zum Kunden geschickt, egal, wo sich der Kunde befindet. Das Service Center erhält rund 3,5 Millionen Anrufe pro Jahr. Neben IT-Support übernehmen wir auch eine Reihe kaufmännischer Leistungen, etwa für DaimlerChrysler. Dazu gehören Mahn- und Bestellwesen, Angebotserstellung und Marktbetreuung.

CallCenterProfi: Das klingt nach anspruchsvollen Aufgaben.

Eva Rath: Allerdings. Unser Mitarbeiter brauchen für ihre Arbeit in mehr als 60 nationalen und internationalen Projekten nicht nur Fachwissen sondern auch eine hohe Sprachkompetenz. Allein für unseren Kunden DaimlerChrysler läuft der Service auf Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Japanisch ab - schließlich wird er von 21.000 Benutzern in 180 Ländern in Anspruch genommen.

CallCenterProfi: Welche Kunden betreut Helpline Services vorrangig?

Eva Rath: Wir bieten branchenübergreifenden Service mit individuellen Konzepten sowohl für Großunternehmen - von McDonalds über das Frachtunternehmen Hapag-Lloyd bis hin zu DaimlerChrysler - als auch für Klein- und Mittelstandsunternehmen.

CallCenterProfi: Wo sehen Sie Vorteile und Nachteile des Standortes?

Eva Rath: Ein Vorteil ist Thüringens IT-affines Personal. Außerdem gibt es viele Native Speaker für internationale Projekte. Das Preis-Leistungs-Verhältnis bei Gewerbeimmobilien ist günstig und die Verkehrsinfrastruktur ist hervorragend. Ein Flughafen ist direkt in der Nähe, es gibt Straßenbahnanbindungen direkt in die Innenstadt und zum Hauptbahnhof und die Autobahn ist gut ausgebaut. Da wir kein klassisches Call Center sind, sondern ein spezielles Portfolio haben, stehen wir mit den anderen Call Centern in Thüringen auch nicht in unmittelbarem Wettbewerb. Nachteilig sind sicher die begrenzten Personalressourcen. Daher bauen wir unsere Kapazitäten zunächst in Leipzig weiter aus.

CallCenterProfi: Welche Rolle spielt Weiterbildung?

Eva Rath: Wir bilden aus Kostengründen im Bereich Standard-IT vor allem Inhouse aus und weiter. Exotischere Themen lagern wir an externe Dienstleister aus.

CallCenterProfi: Wie wichtig ist Qualitätsmanagement?

Eva Rath: Sehr wichtig. Das Know-how, die Erreichbarkeit und die Lösungsquote brachten dem Unternehmen immer wieder Anerkennung. Das IBM Service Center ist mehrmaliger Preisträger des "IIR Help Desk Award" für den kundenfreundlichsten Support und schon zweimal, 2000 und 2003, wurde ihm der Thüringer Staatspreis für Qualität und Kundenorientierung verliehen.

Call Center in Thüringen

Call Center-Dienstleister:

[ul]

[li]Sellbytel Erfurt GmbH[/li]

[li]InfoKomm Erfurt GmbH[/li]

[li]CallSokrates GmbH in Saalfeld, Saale[/li][/ul]

Inhouse-Call Center:

[ul]

[li]IBM-Tochter csg Helpline Service GmbH[/li]

[li]mobilcom-freenet AG[/li]

[li]T-Mobile GmbH[/li]

[li]Otto-Versand Kundencenter[/li]

[li]Kabel Deutschland GmbH, alle in Erfurt[/li]

[li]Servicecenter der Thüringer Energie in Jena[/li][/ul]

Passende Inhalte

Aktualität
Keine Nachrichten verfügbar.
Aufrufe
Keine Nachrichten verfügbar.

Passend im Marktplatz

Business
Keine passenden Business Cards gefunden.