CallCenter Profi

Sprachportale im Praxiseinsatz

 – Simone Fojut

Sprachportale sind reif für den breiten Einsatz und rentieren sich schnell – so lautete die Kernbotschaft einer Informationsveranstaltung der Akademie der Technologie e.V. am 9. Juni in Heidelberg. Lösungsanbieter und Anwender berichteten von ihren Erfahrungen mit Sprachdialogsystemen: Bereits vergleichsweise einfache Sprachportale rechnen sich schnell, und innovative Anwendungen wie der vollautomatische Mahnanruf sind erfolgreicher, als erwartet.

Sprachdialoge als Staffellauf

Sprachdialoge sind wie ein Staffellauf: Der Wissenschaftler Robert Porzel vom European Media Lab berichtete von Besonderheiten menschlicher und computerisierter Dialogen. So sind es Menschen gewohnt, dass der Gesprächpartner immer wieder Bestätigungssignale aussendet, ohne den anderen zu unterbrechen. Die "ah ja’s" und "mhms" helfen, den Redefluss und den Dialog lebendig zu halten. Der Effekt ist wie beim Staffellauf: Wenn ein Zuhörer sich durch sein aktives Zuhören schon "warmläuft", kann er den Dialog nahtlos weiterführen, wenn der "dran" ist. Anders sind heutige Computer-Mensch-Dialoge, wo nach jedem Dialogschritt erst eine kurze Pause entsteht.

Ebenso spannend ist die bewusste oder unbewusste Steuerung von Gesprächspartnern, indem man Ihnen Worte in den Mund legt: Wenn ein Sprachdialogsystem Worte eines Anrufers wiederholt und nicht durch die "korrekten" Begriff aus dem Businessumfeld des Angerufenen ersetzt, werden Dialoge effizienter. Und vor allem: Der Anrufer fühlt sich einfach besser verstanden.

Sprachportal spart Geld und schafft zufriedene Kunden

Evelyn Kulessa, Leiterin des Call Centers der Europäischen Reiseversicherung ist mit der Einführung des Sprachportals wirklich zufrieden: Das starke Saisongeschäft des führenden Reiseversicherers bescherte im Jahr 2002 eine Erreichbarkeit von nur 76 Prozent bei knapp 450.000 Anrufen in Jahr. Ein Sprachportal sollte nicht nur Kosten senken, sondern einen 7/24-Service ohne zusätzliches Personal ermöglichen. Auch die Vereinfachung der Prozesse war gewünscht: Waren vorher noch 76 Telefonnummern nach "außen" bekannt gegeben, ist es jetzt nur noch eine Servicerufnummer. Der Erfolg ist bestechend: Mit reduziertem Personal bewältigt das Call Center heute 510.000 Anrufe – mit einer Erreichbarkeit von 89 Prozent und viel kürzeren Warteschlangen. Wesentliche Einsparungen wurden neben dem Wegfall von zwei Planstellen im Call Center durch ein wesentlich geringeres Outsourcing-Volumen erzielt: Allein das schlug mit 300.000 Euro für zwei Jahre zu Buche.

Das Portal hilft vielen Anrufern bei Schadensmeldungen sogar fallabschließend: Bei einem Schaden von weniger als 250 Euro erhält der Versicherte vollautomatisch alle Informationen, die er für die Regulierung benötigt.

Einige Tipps für die erfolgreiche Nutzung des Sprachportals konnte Evelyn Kulessa geben: Agentur-Partner wurden frühzeitig informiert und bekamen Kurzwahlnummern für eine verkürzte Dialogsteuerung. Zusätzlich wurden die anfangs langen Ansagen des Sprachcomputers für die heutige Version wesentlich knapper und prägnanter formuliert. Auch das erhöht die Effizienz und Zufriedenheit der Anrufer. Gleichzeitig helfen maximal drei Auswahlmöglichkeiten in jedem Menü, den Überblick zu bewahren.

Im Vergleich zu anderen Versicherern, die noch keine Sprachportale einsetzen, wird indes der telefonische Kundenservice der ERV mindestens gleich gut bewertet – das Sprachportal ist also kein Wettbewerbsnachteil. Das hatte eine extern durchgeführte Marktforschungsstudie ergeben.

Forderungsmanagement fordert Spracherkennung

Mehrere Millionen Briefe an säumige Kunden versenden die Forderungsmanagement-Unternehmen von InFoScore jedes Jahr. Viele der Angeschriebenen rufen daraufhin zur Klärung ihrer Inkassofragen in den Service Dialog Centern der Baden-Badener Unternehmen an. Um das wachsende Volumen besser bewältigen zu können, wurde eine Sprachdialoglösung in zwei Stufen eingeführt: Bereits vor einem Jahr fragte eine "Light-Lösung" den Anruferwunsch ab. Reine Kontostandsabfragen wurden seitdem nicht mehr von den aufwändig ausgebildeten Sachbearbeitern beantwortet, sondern von angelernten Kräften. Seit 1. April 2005 erledigt das nach der erfolgten Integration in die IT-Systeme das Sprachportal automatisch. Dazu müssen die Anrufer zunächst ihr Aktenzeichen eingeben und dann das Geburtsdatum zur Legitimierung mitteilen. Die Sikom-Lösung mit natürlichsprachlicher Erkennung hat von Anfang an für die komplexen Aktenzeichen eine Erfolgsrate von über 85 Prozent erzielt. Derzeit wird das System optimiert und soll weit über 90 Prozent erreichen. Inzwischen werden bereits 17 Prozent der Geschäftsvorfälle abschließend bearbeitet. Bei 77 Prozent führt die Spracherkennung zu einer Beschleunigung der nachfolgenden Gespräche mit dem Sachbearbeiter: Mehr als 30 Sekunden spart er durch den Screen Popup mit relevanten Daten. Besonders überzeugend waren die Live-Calls einer Teamleiterin, die im Produktivsystem aktuelle Kontostände abfragte - freilich von Test-Konten.

Quelle geht neue Wege

Zwölf verschiedene Sprachanwendungen hat die Quelle AG im Betrieb. Darunter befindet sich auch die "Königsdisziplin" für Versandhändler: Das Quellefon-Bestellsystem ist seit Oktober 2002 im Livebetrieb und wird jährlich 1,3 Millionen Mal benutzt. Insgesamt verarbeiteten Sprachcomputer 2004 3,4 Millionen Anrufe automatisch und gaben Kontoauskünfte, nahmen Katalogbestellungen auf, informierten sich über den nächstgelegenen Quelle-Shop usw.. Seit vergangenem Jahr werden auch outbound-Calls vollautomatisch durchgeführt. Klaus Möller, Leiter Kommunikationstechnologie der Quelle, berichtete vom Erfolg von Mahnanrufen bei säumigen Kunden. Die Zahlungsmoral war bei den "vollautomatisch" Angerufenen um mehr als 50 Prozent besser als bei denen, die eine Zahlungserinnerung per Post bekamen. Und die so Ermahnten nehmen das dem Versandhaus nicht übel: Die Wiederbestellquote ist sogar höher, als bei den Brief-Empfängern.

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