CallCenter Profi

Sachsen

 – Steffanie Gohr

132 Call Center und 7.150 Agents zählt der Freistaat Sachsen, der sich für seine Call Center stark engagiert. Ein weiterer Vorteil: Der osteuropäische Markt liegt vor der Tür. Besonders in Dresden, Leipzig, und Görlitz scheinen die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Call Center Ansiedlung zu stimmen, denn hier ist die Dichte an Call Centern besonders groß.

"In Dresden, Leipzig und Görlitz siedeln sich besonders viele Call Center an, da wir hier eine hohe Bevölkerungsdichte und viele hochqualifizierte Arbeitskräfte haben", erklärt Andreas Gensmann, Projektleiter Ansiedlung bei der Wirtschaftsförderung Sachsen in Dresden. Dresden und Umgebung zählen 1,5 Millionen Einwohner, Leipzig 1,7 Millionen und die Region Görlitz 220.000. Die Arbeitslosenquote in diesen Regionen liegt zwischen 15 und 20 Prozent und erhöht das Mitarbeiterpotenzial noch einmal - immerhin beträgt das Verhältnis von Stellenangeboten zu Bewerbern etwa 1:10.

Die meisten Call Center setzen freilich auf studentische, oft mehrsprachige Mitarbeiter, die an den Hochschulstandorten Dresden (40.000), Leipzig (38.500) und Görlitz (3.000) problemlos zu finden sind. Wegen des hohen Ausbildungsniveaus haben es Inhouse-Call Center in der Regel leicht, Personal für technische Helpdesks zu gewinnen - ein wichtiger Aufgabenbereich in Sachsen. Besonders die Finanzdienstleistungsbranche hat einen hohen Stellenwert im Land, denn diese Branche hat sich über Jahre etabliert. Entsprechend viele Fachkräfte stehen für den finanztechnischen Support heute zur Verfügung. Aber auch Helpdesks für IT und Telekommunikationsanbietern spielen eine große Rolle und generell besitzt Sachsen für nationale und internationale technologieorientierte Unternehmen eine hohe Anziehungskraft, wie die Ansiedlung von Firmen wie Siemens, VW, AMD, Compaq, Quelle oder Akzo Nobel beweist.

Branche genießt hohen Stellenwert

"Die Telekommunikationsinfrastruktur in Sachsen ist auf dem neusten technischen Stand", betont Andreas Gensmann von der Sächsischen Wirtschaftsförderung. "Außerdem sind die Lohnkosten vergleichsweise günstig und große zusammenhängende Büroimmobilien bei günstigem Mietniveau sind leicht zu finden. Die Nahverkehrsanbindungen sind gut ausgebaut und Dresden und Leipzig verfügen auch über Flughäfen." Ein weiteres Plus für Call Center ist die aktive Wirtschaftsförderung in der Region.

Die Call Center Initiative des Freistaates Sachsen, die zur Wirtschaftsförderung Sachsen gehört, stimmt Förderungen ab und hilft bei der Immobilienauswahl und beim Arbeitskräfte-Recruitment. Gemeinsam mit der Arbeitsagentur unterstützte die Wirtschaftsförderung Sachsen zum Beispiel den Call Center-Dienstleister Transcom, der Mitte März in Dresden eine neue Filiale eröffnet und in 2007 insgesamt 400 Mitarbeiter einstellen will.

Daneben gibt es das Call Center Netzwerk CCnet Sachsen, das sich den Themen Technik, Marketing und Personal widmet (siehe Interview), und auch an staatlicher Förderung mangelt es nicht: Neuansiedlungen von Unternehmen erhalten Förderungen über den Europäischen Sozialfonds (Personal- und Schulungsmaßnahmen) und die Agentur für Arbeit (Förderung bei Einstellung von Mitarbeitern), zinsgünstige Darlehen und Unterstützung für kleine und mittelständischen Call Centern gibt es durch die Telematikförderung. Die Ausbildung nehmen 20 private und öffentliche Weiterbildungsinstitute in die Hand, darunter die BilTrain AG in Zwickau, Leipzig und Dresden, das Bildungswerk der sächsischen Wirtschaft sowie die IHKs. Gensmann betont: "Natürlich stehen die neuen Berufsbilder Kaufmann und Servicekraft für Dialogmarketing ganz oben auf der Liste. Diese Ausbildungsberufe nimmt Sachsen besonders ernst. So stehen zum Beispiel statt der üblichen 40 Stunden Englisch in Sachsen 120 Stunden auf dem Programm."

Tor zu Mittel- und Osteuropa

Der osteuropäische Markt ist nicht weit, und wer dort Marktpotenzial bearbeiten will findet in den grenznahen Gebieten zahlreiche Muttersprachler für Tschechisch, Polnisch oder Russisch. Aber auch viele Studenten, Muttersprachler oder Spracherwerbler, stehen für Osteuropa-Projekte zur Verfügung. "Bei vorhandenen Unternehmen ebenso wie bei Ansiedlungsvorhaben spielt die Nähe des osteuropäischen Marktes immer eine große Rolle", so Andreas Gensmann.

Die DMR Russ-Express GmbH in Leipzig vertreibt zum Beispiel über ein Call Center mit 15 festen und 45 freien Agents original russische Zeitschriften für russische Mitbürger in Deutschland. Es gibt inzwischen etwa fünf Millionen Aussiedler in Deutschland, die noch stark kulturell mit Russland verhaftet sind, bestätigt Geschäftsführer Dr. Klaus-Peter Koppelmann. Die Call Center-Mitarbeiter sind meist russische/GUS-Studenten oder Studenten der russischen Sprache, so Koppelmann, der betont: "Wir sind nicht nur multilingual sondern auch multikulturell." Die Agents sind einerseits für die Business-Kommunikation mit russischen Verlagen zuständig, andererseits für die Endkundenkommunikation mit russischen Kunden in Deutschland. Hier werden nicht nur Presseprodukte vorgestellt sondern auch Cross-Selling (Versicherungsprodukte etc.) betrieben. Als Mittler zwischen dem russischen und dem deutschen Markt plant Koppelmann auf lange Sicht, auch andere Versandprodukte, die mit dem Bereich Buch und Presse im weitesten Sinne zu tun haben, über seine Homepage und per Telefon an russische Zielgruppen in Deutschland zu vertreiben und deshalb die Business-Kommunikation mit russischen Auftraggebern auszubauen.

Auch andere Unternehmen haben die Bedeutung des osteuropäischen Marktes erkannt. Die HypoVereinsbank hat in Leipzig kürzlich ein großes Call Center für finanztechnische Dienstleistungen ins Leben gerufen. Die Kernmärkte der HVB sind Deutschland, Österreich und Zentral- und Osteuropa. Gemeinsam mit dem deutschen Mittelstandsmagazin impulse zeichnet die HVB regelmäßig erfolgreiche Unternehmer mit dem MOE Award aus, einem Mittelstandspreis, den kleine und mittelständische Unternehmen gewinnen könne, die in Mittel- und Osteuropas aktiv sind.

Weitere Ansiedlungen in Aussicht

Nicht zuletzt die sächsische Mentalität trägt zum Boom der Call Center Branche bei: Sächsische Arbeitnehmer gelten als kommunikationsfreudig und fachlich kompetent. Und der sächsische Dialekt? Andreas Gensmann von der Wirtschaftsförderung Sachsen beobachtet: "Der Trend zur Gleichmachung ist vorbei. Authentizität ist in der Branche gefragt, der Mensch rückt in den Vordergrund. Mentalität, Vertrauen und Sympathie sind wichtiger als die Sprachfärbung. Außerdem arbeiten gerade kleine und mittelständische Unternehmen ohnehin regional, und da ist eine regionale Sprachfärbung sogar erwünscht. Für bundesweite Aktionen ist natürlich ein Sprachtraining innerhalb der normalen Qualifizierung üblich." Die Call Center Landschaft werde sich in Sachsen weiter entwickeln, so Gensmann: "Wir rechnen mit weiteren Ansiedlungen in den Ballungsräumen. Großes Potenzial haben aber auch Regionen wie Ostsachsen (zum Beispiel Hoyerswerda) oder der Südraum Leipzig."

Interview mit Rainer Jacob,

Vorstand der CMS Communication und Marketing Services AG in Dresden und Vorsitzender des Call Center Netzwerk Sachsen CCnet Sachsen

CallCenterProfi: Weshalb hat sich die CMS Communication und Marketing Services AG in Dresden angesiedelt?

Jacob: Das ist historisch bedingt. Ich war damals bei Mövenpick für den osteuropäischen Markt zuständig, wollte aber nicht mehr so viel reisen. Zunächst gründete ich einen Lettershop. Irgendwann kamen Kundenanfragen nach Call Center-Dienstleistungen, die Gelben Seiten fragten zum Beispiel nach, ob wir Mailings nachtelefonieren könnten. Meine Frau war damals Call Center-Leiterin bei der Sächsischen Zeitung, Call Center Know-how war also da. Also gründeten wir 1999 ein Call Center. Die Call Center Ausrüstung dafür ersteigerte ich bei eBay.

CallCenterProfi: Wie kam das?

Jacob: Im Internet suchte ich eigentlich nach Headsets und fand eine komplette Anlage. Der Anbieter aus Düsseldorf bot mir auch Möbel an und so hatte ich in kurzer Zeit das komplette Inventar zusammen. Wir starteten mit vier Arbeitsplätzen. Heute beschäftigen wir 100 Mitarbeiter, 35 davon fest.

CallCenterProfi: Wo liegen die Aufgabenschwerpunkte?

Jacob: 80 Prozent sind Inbound-Aufgaben - Bestellannahme, Telefonzentrale und Hotline. Zu unseren Kunden zählen Verlage, Versandhäuser, die Gema und der Nahrungsergänzungsmittelhersteller NSA, für den wir viersprachig Deutschland, Österreich, die Schweiz und Frankreich betreuen. CMS hat die drei Standbeine Lettershop (18 bis 20 Millionen Briefe jährlich), Call Center und Consulting. Wir haben zum Beispiel kürzlich als Consulter ein Call Center für die Dresdner Aktiengesellschaft aufgebaut.

CallCenterProfi: Wie rekrutiert CMS Arbeitskräfte?

Jacob: Die Rekrutierung nehmen wir selbst über Anzeigen vor, auch Mund-zu-Mund-Propaganda ist hilfreich. Es gibt ein großes Potenzial an Studenten der Technischen Universität. Arbeitslose sind für uns selten eine Alternative, da sie oft nicht zum Profil passen. Die Rekrutierung erfolgt in mehreren Schritten: Zunächst wird in telefonischen Bewerbungen selektiert, dann im Assessment-Center und in Rollenspielen. Schließlich folgt das Training on the Job. Für das Kommunikationstraining sind wir zuständig, das fachliche Know-how vermittelt der Kunde den Agenten bei uns vor Ort.

CallCenterProfi: Ist die sächsische Mundart ein Problem?

Jacob: Richtig ausgeprägte Mundart ist inakzeptabel, eine leichte Färbung ist kein Problem. Mit Sprachtraining kann man viel erreichen.

CallCenterProfi: Was leistet das Call Center Netzwerk CCnet Sachsen?

Jacob: Das Netzwerk kümmert sich um die Bereiche Marketing, Personal und Technik. Auf der Tagesordnung stehen Themen wie Ausbildung, Lobbyarbeit und regionale Projekte. Derzeit haben wir 100 Mitglieder, davon 45 Call Center und 55 Dienstleister.

CallCenterProfi: Werden Sie dem Standort Dresden treu bleiben?

Jacob: Ja. Dresden ist nicht nur eine Stadt mit Charisma sondern auch ein preiswerter Standort mit gutem Personal. Die Leute sind arbeitswillig und "keine Muffelköppe", wie man in meiner Heimatstadt Bremen sagt. Wir wollen unsere Leistungen deshalb künftig ausweiten - im Bereich Neue Medien.

Standort-Statement von Gülabatin Sun,

Geschäftsführerin der HypoVereinsbank Direkt, Leipzig

"Filialschließungen waren der Auftakt für den Erfolg des HVB Direkt Call Centers in Leipzig: 2001 wurden mehrere Filialen in Sachsen geschlossen und viele Kunden griffen zum Telefon, da die nächste Filiale meist einige Kilometer vom Wohnort entfernt war. Das Call Center wurde so zur ersten Anlaufstelle, um mit der Bank in Kontakt zu treten. In Leipzig ist der Arbeitsmarkt für Call Center Mitarbeiter sehr ergiebig. Mitarbeiter werden heute fast ausschließlich am freien Markt rekrutiert, nachdem bei der Gründung vor allem Mitarbeiter aus den eigenen Reihen eingestellt wurden. Derzeit beschäftigen wir knapp 100 Agenten, größtenteils in Teilzeit. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt auf vertriebsunterstützenden Tätigkeiten für die Filialen der HVB, insbesondere im Outbound (Terminvereinbarungen). Künftig wollen wir die vertriebsunterstützenden Aktivitäten zu vertriebsnahen Tätigkeiten ausbauen, der Direktvertrieb ist eine mögliche Variante."

Call Center in Sachsen

Dienstleister:

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[li]twenty4help in Görlitz[/li][/li][/li]

[li]QuelleContact in Chemnitz, Leipzig und Görlitz[/li][/li][/li]

[li]call center elstra GmbH in Elstra[/li][/li][/li]

[li]CMS Communication und Marketing Service AG in Dresden[/li][/ul]Inhouse-Call Center:

[ul][/li][/li]

[li]United Data in Leipzig[/li][/li][/li]

[li]Otto Versand in Dresden und Chemnitz[/li][/li][/li]

[li]Vivento (Tochter der Deutschen Telekom AG) in Dresden[/li][/li][/li]

[li]Vodafone in Radebeul[/li][/li][/li]

[li]DMR Russ-Express GmbH in Leipzig[/li][/li][/li]

[li]HypoVereinsbank HVB in Leipzig[/li][/ul]

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