CallCenter Profi

Interview: "Es braucht eine Art von 'Psycho-Hygiene'"

 – Simone Fojut

Zum Thema Mitarbeiterführung, Motivation und Steuerung sprach CallCenterProfi mit Martina Aron-Weidlich, Geschäftsführerin von Weidlich Consulting und Autorin des Buches „Essenz der Führung“.

CallCenterProfi: Mitarbeiterführung ist für Manager oft ein Balanceakt zwischen Erwartungen einerseits und den Leistungen andererseits. Wie können Manager und Führungskräfte in ihre Aufgaben und Rollen besser hineinwachsen?

Aron-Weidlich: Wichtig ist sich klar zu machen, was sind meine eigentlichen Aufgaben als Führungskraft? Dazu gehört es, den Mitarbeitern Freiräume für die Umsetzung von Aufgaben einzuräumen, Kontrolle ausüben sowie zeitnahes Feedback über Ausführung und Verhalten zu geben. Genauso wie die Vermittlung von Zielen und Klarheit über zugesprochene Kompetenzen und Zuständigkeiten zu erzielen. Führen funktioniert nicht mehr als Einbahnstraße, sondern im Dialog mit den Mitarbeitern. Sprechen Sie Erwartungen konkret aus. Nur wenn der Mitarbeiter genau weiß, was von ihm erwartet wird und im Gegenzug die Führungskraft versteht, was sein Untergebener sich wünscht, kann die Erwartungsenttäuschung minimiert werden.

Es gilt die These: starke Vorgesetzte haben starke Mitarbeiter. Bedingt durch den hohen Anspruch an die eigene Arbeit und den enormen Leistungsdruck gehen viele Führungskräfte jedoch ins Extrem. Sie delegieren Aufgaben ohne Ansehen der Erfahrung und Einstellung des Mitarbeiters oder sie erledigen alle wichtigen, zeitkritischen Arbeiten selbst. Es geht jedoch um das Entwickeln, Fordern und Fördern von Mitarbeitern. Ihre Aufgabe und Ihre Rolle bedeutet auch abgeben von Aufgaben, um Zeit für Führung zu haben. Sonst füllen sie nur eine Funktion auf dem Papier aus. Professionelles Führen braucht eine entsprechenden Grundhaltung und gute Planung. Planen Sie konkret Zeit für Mitarbeitergespräche, Zeit für informelle Treffen und Zeit für Regelkommunikation ein – denn hervorragende Ergebnisse kann ich nur zusammen mit Mitarbeitern erreichen!

CallCenterProfi: Wie entscheide ich, ob ich Manager oder Leader bin?

Aron-Weidlich:Als Manager liegt der Fokus auf Arbeitsprozessen, Kennzahlen und faktischen Ergebnissen. Als Leader ist der Augenmerk auf die Menschen in der Organisation, auf Sinnstiftung und die Vermittlung von Hintergrundwissen, auf eine transparente Kommunikation, auf intensive Beziehungspflege sowie auf eine größere Strategie- und Visionsvermittlung gerichtet. Beide Qualitäten brauchen Führungskräfte, um komplexe Führungssituationen steuern und führen zu können. Führen ohne Kennzahlen ist genauso wenig erfolgreich wie das Führen ohne Charisma und ohne Bezug zu den Mitarbeitern oder zum Produkt. Viele negative Beispiele aus der Führungspraxis zeigen allerdings auf, dass ein Rückzug auf das managen gerade in schwierigen Zeiten nicht zum Erfolg führt und frustrierte Mitarbeiter und Führungskräfte zur Folge hat.

In Krisenzeiten führt das „Management“ nicht wirklich, es werden keine klaren Entscheidungen oder Aussagen getroffen, es wird sich auf das formelle Abwickeln von Aufgaben konzentriert und ein Dialog mit Mitarbeitern nicht wahrhaftig geführt. Die Entscheidung, ob ich eher „managen“ oder „leaden“ muss, kann nur situativ getroffen werden. Als Entscheidungshilfe gilt jedoch, je schwieriger die Führungssituation ist, je mehr Veränderungsdruck vorhanden ist, je zeitkritischer Ergebnisse zu erzielen sind, desto mehr sind die Qualitäten des Leaders gefragt.

CallCenterProfi: Welchen Tipp geben Sie gerade „altgedienten“ Managern?

Aron-Weidlich: Trauen Sie sich zu, sich auf den Weg zu begeben und die Antwort auf die Frage zu finden: Was bedeutet es denn für mich, „jung“ als Führungskraft zu sein? Aus meiner Sicht liegt der Charme darin, eine gute Verbindung zwischen Erfahrung, Seniorität und Gelassenheit sowie der lebendigen Neugierde auf das Andere, das nicht Bekannte, individuell zu entwickeln – sei es auf die Organisationsveränderung, auf Impulse von Kunden oder von Mitarbeitern bezogen. Nichts ist schlimmer, wenn sich Erfahrungen und zwangsläufig erlebte Frustration zur bekannten „Management-Lehmschicht“entwickeln. Dann werden die eigenen Widerstände Neuerungen und Veränderungen gegenüber mit den eigenen Erfahrungen erklärt und wegrationalisiert. Typische Äußerungen von Führungskräften lauten dann: „ Das haben wir noch nie so gemacht“ oder „Das haben wir schon so oft ausprobiert. Das funktioniert nicht“.

Zu führen und anzuleiten, für die Ergebnisse verantwortlich zu sein, jedoch nicht immer den gewünschten Entscheidungs- oder Handlungsraum zur Verfügung zu haben, ist parse anstrengend und manchmal auch frustrierend. Um hier „jung“ zu bleiben, gehört die Fähigkeit der Dissoziierung dem eigenen Job und ein Quäntchen Humor sich selbst gegenüber sicherlich dazu. Auch braucht es eine Art von „Psycho-Hygiene“, um in diesem oft als schwierig empfundenen Umfeld nicht zu demotivieren und sich nicht als „alt und frustriert“ zu empfinden. Diese umschließt eine regelmäßige Reflexion der eigenen Person, des eigenen Verhaltens. Gönnen Sie sich zwischendurch einen professionellen Boxenstopp und tauschen Sie sich mit anderen Kollegen aus, gehen Sie auf Weiterbildungen mit dem Schwerpunkt Führung und Persönlichkeit, leisten Sie sich einen Coach. So können sie sich das „jung“ sein als erfahrene Führungskraft erhalten und ein hohes Maß an Frustrationstoleranz und Resilienz entwickeln.

Bleiben Sie also neugierig – auf Mitarbeiter, auf Kollegen, auf sich selbst in veränderten Kontexten mit anderen Herausforderungen wie noch vor fünf bis zehn Jahren! Sie müssen sicherlich nicht jedem Trend hinterher hecheln – sich aber den Riecher für Sie das was als Manager und Leader relevant sein wird, bewahren.

Über das Buch:

"Essenz der Führung - wie Sie sich selbst und ihre Mitarbeiter nachhaltig motivieren, steuern und führen" von Martina Aron-Weidlich. Springer Gabler, Auflage 2012 (Juli 2011). ISBN: 978-3642165078, 131 Seiten, 24,95 Euro.

Passende Inhalte

Aktualität
Aufrufe

Passend im Marktplatz

Business
Keine passenden Business Cards gefunden.