CallCenter Profi

Ein Viertel Jahrhundert Call Center-Business

 – Scott Bender

Ernst-Joachim Villis arbeitet seit 25 Jahren im Call Center-Business und das auch noch bei einem einzigen Unternehmen. Wir haben den Direktor Human Resources bei walter services gefragt, wie er damals in die Branche kam und was sich in einem viertel Jahrhundert so alles getan hat.

CCP:Herr Villis, wie sind Sie damals zu walter services gekommen?

Villis: Nach meinem Studium der Betriebswirtschaftslehre, Unternehmensführung und Personal in Dortmund arbeitete ich dort in einem Dienstleistungsunternehmen, wo ich gleich im zweiten Jahr als Berater für Markt-, Konkurrenz- und Image-Analysen einen umfangreichen Verantwortungsbereich zugeteilt bekam. Nach sechs Jahren Betriebszugehörigkeit entschloss ich mich zu einem Wechsel, was allerdings nicht alleine aus strategischen Gründen geschah….

CCP: Und was verschlug Sie in die Karlsruher Region?

Villis: Als Liebhaber von Wein und Esskultur reizte mich die Region aufgrund ihrer Nähe zum Elsass. Ich habe mich bewusst hier nach einer neuen beruflichen Herausforderung umgeschaut und versucht, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden. In der engeren Wahl waren interessante Stellen in Stuttgart, Heilbronn, Mannheim und Karlsruhe, wo es mir von Anfang an gefiel. Damals hieß das Unternehmen, das mich als Personalleiter einstellte noch walter Gesellschaft für Marketing-Dienstleistung mbH. Das spannende dabei war das erweiterte Dienstleistungsportfolio, denn zu walter gehörten Fieldmarketing und Telemedien.

CCP: Was waren Ihre Aufgaben?

Villis: Ich habe mich sehr intensiv in dieses Dienstleistungssegment eingearbeitet und mich vor allem um den Auf- und Ausbau von Arbeitsplätzen gekümmert. Die Mitarbeiterinnen waren oftmals so genannte „Rückkehrer“, also Wiedereinsteigerinnen in das Berufsleben nach einer Familienpause. Die Damen waren drei Stunden täglich beschäftigt und nannten sich „Telefonverkaufsberaterinnen“, kurz TVB, damals ein angesehener Beruf. Arbeitszeiten waren entweder vormittags, nachmittags oder abends. Von 18 bis 22 Uhr führten wir hauptsächlich Business Private Telefonate für den Bertelsmann Buch Club im Outbound, also im aktiven telefonischen Vertrieb durch.

CCP: Also ein neues Geschäftsfeld mit viel Begeisterung und Pioniergeist?

Villis: Genau! walter war damals einer der ersten Dienstleister im Telefonvertrieb. Wir feierten große Erfolge, weil die Damen mit Leidenschaft verkauft haben und auch die Kunden sich über die Anrufe freuten. Sie müssen bedenken, dass es damals nur eine Handvoll Call Center gab und der Dienst am Kunden als Marketinginstrument noch in den Kinderschuhen steckte.

CCP: Wie hat der Erfolg Ihre Personalstrategie verändert?

Villis: 1987 wurde die Arbeitszeit von drei auf vier Stunden erhöht. Damals hatten wir 60 Mitarbeiterinnen in der Karlsruher Eisenloherstraße. Als Dauerkunden hatten wir den Bertelsmann Buch Club und Eurocard im B-to-B-Segment. Hier verkauften wir die Transaktionsbelege für die Imprinter, die Sie vielleicht noch als „Ritschratsch-Gerät“ in Erinnerung haben. Auch Melitta unterstützten wir vertrieblich im B-to-B und übernahmen die telefonischen Kaffeenachbestellungen.

CCP: Nicht nur die Kreditkartentechnologie hat sich seitdem gewandelt, auch die Telefonanlagen....

Villis: Hier gab es in den letzten Jahrzehnten unvorstellbare Entwicklungen! An ACD-Anlagen war damals noch nicht zu denken: Jede Telefonverkaufsberaterin hatte eine einzige Leitung von der Post. Daher waren Inbound-Anrufe im heutigen Sinne unmöglich. Unser Geschäft beschränkte sich also auf das aktive Telefonmarketing, Outbound. Die erste Anlage kauften wir 1989, damals von Siemens Nixdorf.

CCP: Wie schwierig war es damals, Mitarbeiter zu finden?

Villis: Überhaupt nicht! Outbound-Tätigkeiten waren sehr begehrt. Unser Unternehmenssitz war damals mitten in der Weststadt, in einem wunderschönen Wohnhaus. Dies hatte den Vorteil, dass die Damen ihren Arbeitsplatz bequem erreichen konnten. Auch die Ausstattung und das Arbeitsklima waren überdurchschnittlich gut: Es gab ein Trainingscenter, einen Konferenzraum, einen Schulungsraum und schon damals ein kleines “Casino“. Das Team kannte sich und es gab einen regen Austausch und einen starken Zusammenhalt. Die Motivation steckte an! Damals führten wir den Slogan ein, um Mitarbeiter zu werben: „Können Sie am Telefon lächeln?“ Wir installierten kleine Spiegel am Arbeitsplatz, mit denen sich die TVB´s beim Kundengespräch kontrollieren konnten. Das wirkte sich auch positiv auf die Stimmung aus.

CCP: Und wie haben Sie die Mitarbeiterinnen auf ihre Aufgabe vorbereitet?

Villis: Neben dem walter Systemtraining im Trainingscenter - mit zwei Fernsehern inklusive Video 2000 – gab es das Training on the Job, das Mithören und natürlich die Produktschulungen durch die Auftraggeber. Ich erinnere mich noch gut an ein Seminar der besonderen Art: eine Schulung der Sektkellerei Deutz und Geldermann mit Verkostung, die in der Eisenloherstraße stattfand. Das war im wahrsten Sinne des Wortes ein prickelndes Erlebnis.

CCP: Wie haben sich die Arbeitsplätze im Laufe der Jahre gewandelt?

Villis: Inzwischen haben wir bereits die sechste Generation der Arbeitsplatzausstattung. Ungestörte Gespräche, abgetrennte Einheiten - darauf waren Büroeinrichter damals noch gar nicht eingestellt. Heute profitieren wir bei der Arbeitsplatzgestaltung von Entwicklungen des Fraunhofer Institutes und arbeiten mit hochsensiblen Membranen zur Schallabsorbierung. Sitzen, sprechen und sehen sind die Grundbedingungen bei der Arbeit am Telefon. Wenn man sich das Büro einer TVB in den 80er Jahren vorstellt, war das ein Schreibtisch mit einem „modernen“ Telefon mit Tastatur statt Wählscheibe und einer leichten „Sprechgarnitur“, die heute durch moderne Headsets ersetzt wurden. Ein Gebührenzähler von der Post zeigte an, wie lange man telefonierte. Die Gebührenzähler wurden nach Schichtende abgelesen. Es gab natürlich noch keinen PC. In der damaligen Zeit hat so ein Wunderwerk der Technik 15.000 bis 18.000 D-Mark gekostet. Die Damen saßen stattdessen an ihren vorgedruckten Aufnahmeblättern, die für jeden Kunden individuell erstellt wurden und notierten von Hand die Bestellungen. Was genauso wichtig war: Diese Zettel wurden abends eingesammelt und durch Datenerfasserinnen in einen IBM-36-Computer eingegeben. Erst wenn diese Daten gespeichert, an den Kunden überspielt und freigegeben waren, konnte das Procedere fortgeführt werden. Verkaufsprozesse einzusteuern dauerte also sehr lange. Im Vergleich zu heute klingt das antiquiert. walter services ist mit der Zeit gegangen, hat technologische Errungenschaften aufgesogen wie ein Schwamm und sie integriert, denn um wettbewerbsfähig zu bleiben, es war wichtig, den Auftraggebern stets schnelle, flexible und aktuelle Lösungen zu bieten.

CCP: Wie lautete Ihre Wachstumsstrategie damals?

Villis: Aus der heutigen Perspektive betrachtet, hat sich das Unternehmen alle fünf Jahre sozusagen rundum erneuert – jeweils mit einer eigenen Strategie. 1989 wurde die erste Telefonanlage gekauft, das Inbound-Geschäft kam dazu. Personell standen wir vor der Herausforderung, Mitarbeiter zu entwickeln, die das Unternehmen vorantreiben würden. Damals gab es nur Quereinsteiger und noch keine dialogmarketingspezifischen Ausbildungen. 1993 gründeten wir die walter Akademie zur Aus- und Weiterbildung von Fach- und Führungskräften. Damals war walter bekannt als Karrieresprungbrett für viele Karlsruher. Unsere zweite Strategie hieß „Gewinnen durch Qualität“ - auch ein Mitarbeiterthema, denn der Umgang mit Mitarbeitern ist unmittelbar an die Dienstleistungsqualität gekoppelt.

CCP: Welche Bedeutung hat der PC heute für die Arbeit Ihrer Mitarbeiter?

Villis: Heute ist der PC aus keinem Arbeitsbereich mehr wegzudenken. Bei walter services erhielt der PC Einzug in den 90er Jahren. Was heute alltäglich ist, war damals eine Sensation. Das Hauptproblem: Die Mitarbeiter mussten die Computer auch bedienen können! Und die wenigsten hatten einen eigenen PC zu Hause. Auch die Schulen waren größtenteils noch weit davon entfernt, den Umgang mit dem Computer zum Unterrichtsfach zu machen. Wir hatten es also mit Mitarbeiterinnen zu tun, die allenfalls eine elektrische Schreibmaschine bedienen konnten. Heute sind unsere 20 Standorte virtuell verknüpft und verbunden, was eine gut aufgestellte IT-Abteilung mit modernster Ausstattung erfordert. War früher ein erfolgreiches Geschäft vor allem von den Mitarbeitern abhängig, gewinnt die Technologie mehr und mehr an Bedeutung für die schnelle Verarbeitung von Daten und Übermittlung von Informationen. Die Technologie hat mittlerweile in unserem Unternehmen einen so großen Stellenwert erreicht, dass wir hierfür einen eigenen Geschäftsführer haben.

CCP: Wie hat sich Ihre Position gewandelt?

Villis: Ich habe mich entwickelt vom alleinigen Personalleiter zu einer Abteilung mit Personalreferenten und Sachbearbeitern. Nach mehrmaligen Umstrukturierungen unterstützen mich heute unternehmensweit drei Bereichsleiter, elf Personalreferenten, drei Sachbearbeiter und eine Assistentin, die dazu beitragen, dass die Grundprinzipien der walter Philosophie an alle 8.000 Mitarbeiter weitergetragen werden und das Management von der Auswahl über die Einstellung bis zur Schulung und Weiterbildung funktioniert. Auch der Schwerpunkt meiner Arbeit hat sich verlagert: Neben der Personalarbeit im daily Business macht heute die Betriebsratsarbeit inzwischen mehr als 50 Prozent meiner Arbeitszeit aus. Mit dem Erfolg, dass wir den ersten Rahmentarifvertrag der Branche mit ver.di ausgehandelt haben und ich erst im letzten Jahr maßgeblich an der Verhandlung des branchenweit ersten Entgelttarifvertrags beteiligt war.

CCP:Was macht Ihnen am meisten Spaß an Ihrer Arbeit?

Villis: Am liebsten entwickele, überzeuge und fördere ich Menschen, die sich für unser Unternehmen engagieren. In Einstellungs- und Beförderungsgesprächen merke ich, dass trotz der Größe, die unser Unternehmen inzwischen hat, es motivierte Menschen gibt, die etwas bewegen wollen. Bei walter services zu arbeiten heißt auch im Unternehmen “mitzuwachsen“. Damit meine ich nicht rund um die Uhr zu arbeiten, sondern den persönlichen Einsatz unserer Mitarbeiter, der walter services so erfolgreich macht!

CCP: Wir haben viel über Ihre Veränderung und Entwicklung gesprochen. Gibt es auch etwas, das geblieben ist?

Villis: Der Spaß an der Arbeit, die Möglichkeit, sich mitzuentwickeln. Privat bin ich der Mensch geblieben, der damals mit viel Idealismus im Gepäck nach Karlsruhe gezogen ist: Ich bin noch immer Feinschmecker, passionierter Hobbykoch und liebe die Vielfalt der französischen Küche, vor allem aus der Mittelmeerregion und dem Elsass, wohin ich auch heute noch gern fahre.

CCP: Verraten Sie uns Ihre kulinarischen Vorlieben?

Villis: Meine besondere Leidenschaft gilt der Lammkeule, ob geschmort oder gesotten. Dazu grünen Bohnen und Kartoffelgratin – ein Genuss! Auch Thunfisch in allen Variationen kann ich nicht widerstehen. Dazu ein guter Tropfen gerne auch aus Deutschland, denn hier hat sich der Weinbau in den letzten 20 Jahren extrem entwickelt, sodass sich viele Weine inzwischen durchaus mit guten französischen oder italienischen Tropfen messen können.

CCP: Und wie verbringen Sie Ihre Freizeit, wenn Sie nicht kulinarisch unterwegs sind?

Villis: Im Winter bietet sich Langlauf in der Region an;im Sommer fahre ich viel Rad. Tanzen gehört weniger zu meinen Leidenschaften - obwohl ich Musik liebe und meine Sammlung über 4.000 Platten und CDs von Rhythm and Blues bis Jazz und Rock zählt.

CCP:Zu guter Letzt interessiert uns noch, worauf Sie besonders stolz sind, wenn Sie auf das vergangene Vierteljahrhundert zurückblicken?

Villis: Stolz bin ich vor allem auf die Entwicklungen und Errungenschaften im gesamten Berufsbild rund um unseren Dienstleistungsbereich, wie etwa die Mitgestaltung der Ausbildung zum Kaufmann bzw. zur Kauffrau Dialogmarketing sowie die oben erwähnten Tarifverträge, die Meilensteine für die Branche bedeuten und die gemeinsame Entwicklung unseres Unternehmensleitbildes. Dennoch ist die Zeit heute schnelllebiger und nicht vergleichbar mit den „guten alten Zeiten“, in denen man viel gearbeitet, aber auch viel gefeiert hat! Viele behaupten ja, dass ein walter-Jahr sieben Menschenjahren entspricht. Ich aber sage: „walter hält jung!“

CCP: Herr Villis, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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