Krisenmanagement-Studie: Auf die größten Risiken am wenigsten vorbereitet
Auf die Krisen, die ihr Geschäft am stärksten gefährden, sind Unternehmen am wenigsten vorbereitet. Das ist das Ergebnis einer Befragung durch den Think Tank "Economist Impact" im Auftrag der Unternehmensberatung FTI Consulting. Die Unternehmen sind zudem langsam darin, aus Erfahrungen zu lernen, um auf dieser Basis künftig besser mit Krisen umgehen zu können.
Economist Impact hat 600 primär juristische Entscheiderinnen und Entscheider (General Counsel und leitende Syndikusanwälte) in Nordamerika, Europa, dem Nahen Osten und Afrika (EMEA) sowie im asiatisch-pazifischen Raum befragt.
Auf die Frage, welche Krisen die größten Risiken für ihr Unternehmen darstellen, nannten nahezu 30 Prozent der Befragten Krisen, die auf Reputationsschäden oder Störungen im Betriebsablauf zurückgehen. Diese Bereiche rangierten unter den ersten drei von insgesamt zwölf möglichen Krisentypen. Gleichzeitig sind Reputations- und Krisen im Betriebsablauf ebenfalls bei den drei am meisten benannten Gefahrenlagen, auf deren Bewältigung die befragten Unternehmen am wenigsten vorbereitet sind. Das haben rund 30 Prozent der General Counsel angegeben.
Mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmen haben Lehren aus vergangenen Krisen nicht in ihre Schulungen und Krisenübungen einfließen lassen. Diese Lücke macht viele Unternehmen anfällig für die Auswirkungen einer Krise oder gar eines „Black-Swan-Events“, insbesondere vor dem Hintergrund von Ereignissen wie Cyberangriffen und Datenschutzverletzungen, makroökonomischen Schocks, politischen Störungen und geopolitischen Konflikten.
Angesichts der zunehmenden Häufigkeit, Komplexität und Unvorhersehbarkeit von Krisenereignissen in den vergangenen fünf Jahren gaben etwa 60 Prozent der befragten Unternehmensjuristen an, stärker in die Strategie für Krisenmanagement ihres Unternehmens eingebunden zu sein. Ihre Beteiligung ist jedoch nicht überall auf der Welt gleich. In Nordamerika (64 Prozent) und in der EMEA-Region (60 Prozent) ist ein höherer Anteil der General Counsel an der Entwicklung von Plänen zur Geschäftsfortführung und finanziellen Notfallplanung beteiligt als in der Asien-Pazifik-Region (42 Prozent). Ebenso sind fast doppelt so viele der befragten Juristen in Nordamerika (63 Prozent) wie im asiatisch-pazifischen Raum (33 Prozent) stärker in die Überwachung und Analyse von Frühwarnsignalen eingebunden, die über rechtliche Fragestellungen hinausgehen, zum Beispiel hinsichtlich der Reputation und Marke des Unternehmens.
Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) können heute besonders dann unterstützten, wenn es darum geht, umfassende, granulare und präzise Krisenfolgenabschätzungen zu erstellen. Dennoch nutzen mehr als die Hälfte der befragten Organisationen diese Technologien bisher nicht im Krisenmanagement. Ein möglicher Grund dafür ist die fehlende Qualifikation in diesem Bereich. Drei von zehn General Counsel haben diese als eine der fünf größten Herausforderungen genannt, die ihre Organisationen daran hindern, besser auf Krisenereignisse vorbereitet zu sein.
Nahezu 70 Prozent der befragten Unternehmen verfügen über kein funktionsübergreifendes Ad-hoc-Krisenteam oder eine Auswahl an im Vorfeld selektierten externen Beratern, die im Krisenfall unmittelbar zur Verfügung stehen. Und dass, obwohl die Befragten die Schaffung eines guten ausgestatteten Krisenreaktionsteams als eine der drei wichtigsten Prioritäten ihrer Rechtsabteilungen genannt haben (42 Prozent). Die Erhöhung des Budgets für Maßnahmen zur Krisenvorsorge, technologische Hilfsmittel und externe Berater oder Anbieter (40 Prozent) sowie die Einführung moderner Technologien wie KI für die Krisenüberwachung und die Analyse von Auswirkungen (33 Prozent) waren die beiden anderen Top-Prioritäten.
Weitere wichtige Ergebnisse der Umfrage sind:
- Mehr als zwei Drittel der Top-Juristen in der Finanzdienstleistungs-, Banken- und Versicherungsbranche haben Überwachung und Analyse in der Frühwarnung über die Rechtsabteilung hinaus auf strategische Partner ausgeweitet – verglichen mit weniger als der Hälfte aller befragten Unternehmen (auch anderer Branchen).
- In der verarbeitenden Industrie sind die Unternehmensjuristen stärker in die Bewältigung von Krisen und deren Auswirkungen eingebunden (72 Prozent) als ihre Kollegen in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Banken und Versicherungen (68 Prozent), IT/Technologie, Medien und Telekommunikation (64 Prozent), Energie, Öl und Gas (63 Prozent), Einzelhandel (62 Prozent) sowie Gesundheitswesen und Biowissenschaften (54 Prozent).
- Fast 40 Prozent der Befragten haben angegeben, dass es ihnen an einem Notfallplan für einen Cyberangriff oder einen Ausfall in ihrer Lieferkette fehlt.
Weitere Ergebnisse finden Sie hier im vollständigen Bericht (englisch) ...
Sie wollen mehr wissen?
Über das Thema Krisenmanagement, Krisenbewältigung und ob man sich überhaupt richtig auf Krisensituationen vorbereiten kann, sprachen wir mit Manfred Stockmann, Berater, Coach und Ehrenpräsident des Customer Service & Call Center Verbands Deutschland e. V.
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