CallCenter Profi

Interview mit Thomas Dreikauss über den Kundendialog 2025

 – Alexander Jünger

Über die aktuelle Trendstudie "Kundendialog 2025" sprachen wir mit Thomas Dreikauss, CEO bei Sematell.

CallCenterProfi: Genauso wie Unternehmen Bots in der Kundenkommunikation und in der Automatisierung einsetzen, werden auch die Kunden Bots für sich "arbeiten" lassen. In letzter Konsequenz sehen die Forscher eine Inter-Bot-Kommunikation. Also Customer-Bots kommunizieren mit Unternehmens-Bots. Halten Sie das für realistisch? Für welche Aufgaben würden Sie selbst einen Bot einsetzen?

Dreikauss: In einzelnen Teilbereichen ja, aber als Gesamtszenario halte ich das für sehr unwahrscheinlich. Dass Bots miteinander kommunizieren ist ja heute schon Realität. Wenn ich zum Beispiel eine Wertpapierorder aufgebe, wird diese zwischen dem Ordersystem der Bank und der Börse automatisiert abgewickelt. Beim sogenannten Algotrading setzen Börsenhändler gezielt „Bots“ ein, um geringfügige Kursdifferenzen auszunutzen. Das Entscheidende ist aber immer, dass der Mensch zuvor sehr klar definiert haben muss, was er genau will. Die Ausführung kann dann in vielen Fällen tatsächlich ein Bot übernehmen. Sprachassistenten wie Amazons Alexa und Apples Siri funktionieren genau nach diesem Prinzip: ich definiere eine Aufgabe und der Sprachassistent sorgt dafür, dass sie ausgeführt wird – ob es nun darum geht, das Licht einzuschalten, die aktuellen Tagesnachrichten vorzulesen oder eine Bestellung auszuführen.

Beim Kundenservice ist das Ganze aber in vielen Fällen deutlich komplexer. Einfache, standardisierte Informationsabfragen, Bestellungen, Kündigungen und ähnliches lassen sich sehr leicht automatisieren. Servicelösungen, die auf künstlicher Intelligenz basieren, können darüber hinaus noch viel mehr Themen abdecken und dafür sorgen, dass Kunden schnell die richtige Antwort erhalten. Überall dort aber, wo Emotionen ins Spiel kommen, zum Beispiel bei Beschwerden oder Reklamationen, stoßen einfache Bots und zumindest heute auch noch KI-basierte Lösungen an ihre Grenzen.  Aber wenn mir Alexa künftig jedes Jahr automatisch den günstigsten Energieanbieter raussucht und sich um sämtliche Wechselformalitäten kümmert, samt Zählerablesung am Tag des Anbieterwechsels, käme ich sehr in Versuchung, das in Anspruch zu nehmen.

CallCenterProfi: Die Forscher schließen nicht aus, dass durch Menschen erbrachte Services künftig extra bepreist werden, wenn diese Leistungen auch durch einen Bot, eine Software oder eine Maschine erbracht werden kann. Halten Sie das für realistisch? Für welche durch Menschen erbrachten Services würden Sie extra zahlen, wenn sich wirklich alles automatisieren ließe?

Dreikauss: Das ist bereits die Realität. Am Bankschalter zahlen Sie heute schon für „manuelle“ Überweisungen durch den Bankmitarbeiter. Auch wer telefonisch einen Flug buchen möchte und nicht das Self Service-Portal nutzt, muss eine teure Servicehotline anrufen – sofern es noch eine gibt. Wenig internetaffine Menschen müssen also heute schon in den sauren Apfel beißen und mehr bezahlen, wenn der Kundenservice von einem Menschen erbracht wird. Sie tun das nicht freiwillig und erhalten im Ergebnis auch nur die gleiche Serviceleistung wie über ein Self Service-Portal.
Durch Menschen erbrachter Kundenservice müsste für mich einen echten Mehrwert bieten, damit ich bereit wäre, dafür extra zu bezahlen: individuelle Beratung zum Beispiel durch freundliche, hochkompetente und erfahrene Mitarbeiter; jemand, der mein Problem löst, dass eben nicht im IT-System abgebildet ist und auf das der Bot keine Antwort weiß.

CallCenterProfi: Kunden und Interessenten werden personenbezogene Daten auch weiterhin freigeben und durch Unternehmen nutzbar machen, wenn sie dafür einen Mehrwert erhalten. Halten Sie das für realistisch? Wenn ja, was wäre ein solcher Mehrwert aus Ihrer Sicht?

Dreikauss: Es ist meines Erachtens ganz erstaunlich, was manche Kunden bereits als „Mehrwert“ empfinden und heute dafür ihre Daten herausgeben. Da reicht vielfach ein Rabatt von fünf Prozent oder die vage Chance, an einem Gewinnspiel teilnehmen zu können. Das ändert sich aber gerade, nicht zuletzt durch den Facebook-Datenskandal. Die Anreizschwelle für die Herausgabe personenbezogener Daten wird zukünftig nach meiner Einschätzung bei vielen Menschen deutlich höher liegen als bisher. Ein „kostenloser“ Service, den ich letztlich mit meinen Daten bezahle, muss nicht nur wirklich gut sein, sondern ich muss auch dem Anbieter vertrauen können, dass er verantwortlich mit meinen Daten umgeht.

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Mehr zur Trendstudie "Kundendialog 2025" lesen Sie in der aktuellen Titelstory des Fachmagazins CallCenterProfi. Der Beitrag steht hier im Online-Archiv für Leser mit gültigen Zugangsdaten zum Abruf bereit.

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