CallCenter Profi

Interview mit Heinrich Welter über den Kundendialog 2025

 – Alexander Jünger

Über die aktuelle Trendstudie "Kundendialog 2025" sprachen wir mit Heinrich Welter, Vice President und GM D-A-CH bei Genesys.

CallCenterProfi: Genauso wie Unternehmen Bots in der Kundenkommunikation und in der Automatisierung einsetzen, werden auch die Kunden Bots für sich "arbeiten" lassen. In letzter Konsequenz sehen die Forscher eine Inter-Bot-Kommunikation. Also Customer-Bots kommunizieren mit Unternehmens-Bots. Halten Sie das für realistisch? Für welche Aufgaben würden Sie selbst einen Bot einsetzen?

Welter: Angesichts der wachsenden Zahl von Entscheidungen, die Menschen täglich treffen müssen und der gleichzeitig zunehmenden Menge an Auswahlmöglichkeiten bei jeder Entscheidung, halte ich das sogar für sehr wahrscheinlich. Was ich mir zum Beispiel für meinen Alltag gut vorstellen kann, ist die Unterstützung durch KI bei der Planung einer Reise: Wer einen Urlaub plant, dem stehen nicht nur unzählig viele Destinationen offen, sondern auch an jedem Reiseziel zahlreiche Hotels, AirBnBs, Ferienhäuser oder Zeltplätze. Dazu kommen die Angebote für Aktivitäten vor Ort und die Reise dahin. Jeder kennt den Planungsaufwand einer Individualreise. Ein persönlicher Bot kennt die Vorlieben des Kunden und kann bereits mit wenigen Vorgaben passgenaue Angebote für einen Strandurlaub oder Städtetrip vorbereiten.

Gerade in der automatisierten Kundenkommunikation wird es nicht die eine künstliche Intelligenz geben, sondern viele verschiedene Expertensysteme für verschiedene Situationen. Denn KI lässt sich in der Kommunikation am effizientesten je nach Fähigkeiten für bestimmte Aufgabenbereiche einsetzen, anstatt eine Superintelligenz für alle Bereiche zu schaffen.

CallCenterProfi: Die Forscher schließen nicht aus, dass durch Menschen erbrachte Services künftig extra bepreist werden, wenn diese Leistungen auch durch einen Bot, eine Software oder eine Maschine erbracht werden kann. Halten Sie das für realistisch? Für welche durch Menschen erbrachten Services würden Sie extra zahlen, wenn sich wirklich alles automatisieren ließe?

Welter: Die Kommunikation mit Bots wird heute noch als eine weniger wertvolle Kommunikation wahrgenommen. Das liegt vor allem daran, dass die Bots heute häufig noch etwas unbeholfen wirken. Eines der entscheidenden Elemente für Chatbots wird sein, wie empathisch sie auf komplexe emotionale Situationen reagieren können. Über diese Eigenschaften werden sich Chatbots auch untereinander abgrenzen. Empathie ist hierbei nicht absolut zu sehen, sondern immer relativ zur Person, mit der gechattet wird. Ein optimaler Chatbot für die Anlageberatung passt sich seinem Gegenüber an, je nachdem, wieviel Hintergrundwissen vorhanden ist, welche Interessen und Prioritäten vorliegen. Obwohl das eigentliche Wissen rein finanzmathematisch ist, sind die Präsentation der Information und die Führung des Dialogs entscheidend für den Gesprächserfolg.

Relevant werden Chatbots vor allem in zwei Funktionen sein. Zum einen als persönlicher Assistent, der sich mit Chatbots von Unternehmen verständigt und beispielsweise Termine vereinbart. Zum anderen als Berater und Entscheidungshilfe, der die individuellen Wünsche des Nutzers kennt und schnell und automatisiert eine große Menge an Informationen entsprechend aufbereiten kann. Diese Funktion wird für Bereiche wichtig, in denen menschliche Contact Center-Mitarbeiter nicht wirtschaftlich einsetzbar sind, so zum Beispiel für eine professionelle Investment-Beratung bei einem Aktienkauf für einen geringen Geldbetrag oder für eine ausführliche Reiseberatung auch bei sehr preiswerten Angeboten. Diese Funktionen werden vor allem für Branchen mit großem Serviceaufwand in Kombination mit kleinen Transaktionsvolumen interessant. In diesem Fall ist dann auch eine Gebühr für die Beratung durch einen menschlichen Ansprechpartner zu rechtfertigen.

CallCenterProfi: Kunden und Interessenten werden personenbezogene Daten auch weiterhin freigeben und durch Unternehmen nutzbar machen, wenn sie dafür einen Mehrwert erhalten. Halten Sie das für realistisch? Wenn ja, was wäre ein solcher Mehrwert aus Ihrer Sicht?

Welter: Die oft zitierte Generation Y ist bekannt dafür, nicht besonders sensibel mit den eigenen Daten umzugehen. Das wirkt auf einige ältere Semester unbedacht, doch dahinter steckt eine völlig andere Kultur. Wer mit Facebook, WhatsApp und Co. aufwächst, für den ist es völlig normal, persönliche Daten mit Unternehmen zu teilen. Das ist, ganz wertfrei gesehen, einfach ein neuer Normalzustand, mit dem Unternehmen und Gesellschaft nun umgehen lernen müssen. Doch diese Kultur birgt auch Herausforderungen, denn sie bringt eine Erwartungshaltung der neuen Generation mit sich, alle Services und Produkte sofort und überall verfügbar zu haben und nur für sie relevante Informationen zu erhalten. Das ist jedoch nur durch eine Verknüpfung aller kundenbezogenen Informationen über Marketing, Vertrieb und Kundenservice hinweg möglich. Sind Informationen zur Kaufhistorie, zu Marketing-Kampagnen und früheren Interaktionen mit dem Kunden bekannt, kann ein Unternehmen viel persönlicher auf den Kunden eingehen.

Angesichts der wachsenden Informationsflut auf allen Kanälen werden die Aufmerksamkeit und die Zeit der Kunden zu einer neuen Art von Währung. Kunden, welche die für sie interessanten Informationen aus der Datenflut herausfiltern wollen, erhalten diese Möglichkeit, indem sie einige persönliche Informationen teilen. Das kann beispielsweise der aktuelle Standort des Kunden sein, der es dem Chatbot einer Bank erlaubt, eine Filiale in der Nähe für eine persönliche Kreditberatung zu empfehlen. Der Status quo des Kundenservice vieler deutscher Unternehmen ist von dieser Vision allerdings weit entfernt. Häufig sind noch alte Contact Center-Infrastrukturen im Einsatz, die eine kanalübergreifende Kommunikation mit Kunden nicht unterstützen. Bis Bots die gesamte Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden übernehmen, bleibt also noch viel zu tun.

_____
Mehr zur Trendstudie "Kundendialog 2025" lesen Sie in der aktuellen Titelstory des Fachmagazins CallCenterProfi. Der Beitrag steht hier im Online-Archiv für Leser mit gültigen Zugangsdaten zum Abruf bereit.

Passende Inhalte

Passend im Marktplatz

Business