CallCenter Profi

Gastkolumne: Vom richtigen Zeitpunkt

 – Harald Kling

Glaubt man dem Volksmund, soll man dann Schluss machen oder gehen, wenn es am schönsten ist. Das zu verstehen oder gar umzusetzen, fällt einem, na gut, mir zumindest, aber eher schwer. Warum soll ich beispielsweise (m)eine Beziehung beenden, wenn Sie doch eigentlich gut funktioniert oder sogar „am schönsten“ ist.  Oder eine Abendgesellschaft verlassen, wenn ich mich gerade gut unterhalte. Trotzdem: Nicht wirklich glaubwürdig, diese These. Ich will ja den Augenblick genießen. Und nicht abschließen.

Transponieren wir den Volksmund aber in die Geschäftswelt, wird der Glaubenssatz schon wesentlich klarer und plausibler.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Unternehmensnachfolgen. Viele Firmen scheitern bei dem Versuch der Staffelübergabe auf ein neues Management oder Eigentümer. Häufig alleine deshalb, weil die Übergabe nicht sauber vorbereitet wurde. Die einen wollen noch nicht so wirklich aufhören und die anderen können noch nicht, weil sie nicht alle relevanten Details wissen und vermittelt bekommen haben. Ich habe schon mal „meine“ Firma (mit meinen Partnern) verkauft. Und uns war klar, wir machen es, wenn es am schönsten ist, vor allem in Bezug auf die Aufstellung im Personalbereich, das Leistungsangebot und natürlich auch die finanziellen Rahmenbedingungen.

Der wesentliche Baustein für den Erfolg war aber neben all dem Verhandeln die Qualität der zweiten Managementebene, die in meinem eigenen Fall bis heute die Geschicke des Unternehmens mit Bravour für die neuen Eigentümer leitet und das Leistungsangebot klug weiterentwickelt hat. Denn der wirkliche Erfolg kommt nur mit den Menschen im Mittelpunkt des eigenen Handelns. Diese goldene Regel habe ich, auch bei meinen neuen unternehmerischen Aktivitäten, stets beachtet – zum Glück. Für mich galt stets eher „man soll gehen, wenn man bleiben könnte“ – in Verbundenheit und einem Miteinander, dass den Übergang absichert. Das „richtige“ Alter ist dabei im Übrigen nicht so maßgeblich wie das vorhandene oder noch abrufbare Commitment und die Begeisterung für die Arbeit.

Achtet man darauf, dann ist ein Unternehmen immer wertvoll. Nicht der EBIT, sondern die Mitarbeiter, also „Walking Assets“, sind das Bewertungsfundament für den Erfolg. Und damit für den Verkaufspreis. Nicht die Kunden und der Vertragswert, es ist die Begeisterung und die gegenseitige Wertschätzung in der Tripolarität von Management, Mitarbeitern und Kunde, die der Schlüssel für den richtigen Unternehmenswert sind.

Und das in einer Zeit der voranschreitenden Digitalisierung und des wachsenden Drucks, immer internationaler und mit mehr Self Service- oder Cross Channel-Ansätzen zu arbeiten, beziehungsweise diese einzusetzen oder zu entwickeln. Die Segel der Branche sind also gesetzt, der „Wind of Change“ frischt auf: die Technik wird immer wichtiger, die Investitionsentscheidungen hierfür immer komplexer, die Marktbereinigung schafft enorme Call Center-Gruppen und ebenso beachtliche Misserfolge bei der Übernahme von Firmen. Vor allem, weil zu viel Geld auf zu wenig Kopf trifft. Die kulturellen Herausforderungen und ein solider Change Management-Prozess, sind zum Teil noch nicht einmal Bestandteil der Transitions-Planung. Ein Irrtum, der viele Firmen von der Bildfläche hat verschwinden lassen. Und deswegen spreche ich persönlich mit Unternehmern, die ich beim Verkauf oder der Nachfolge berate, immer zuerst über den Anfang des neuen Lebensabschnitts und nicht das Ende des alten. Denn dem Anfang wohnt bekanntermaßen auch ein Zauber inne.

Ihr Harald Kling

(Sie teilen die Ansichten unseres Gastkolumnisten oder sind ganz anderer Meinung? Verraten Sie es ihm per E-Mail an harald.kling@deininger.de)

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