CallCenter Profi

Fundstück: Wenn Automatisierung weh tut

 – Alexander Jünger

Ich möchte einigen von Ihnen unterstellen, dass Sie auch schon einmal eine Abstellgenehmigung für eine Paketsendung erteilt haben. Nicht ganz so sicher könnte ich schätzen, wie viele von Ihnen schon mal eine zurückziehen wollten, dann aber herausfinden: das geht leider nicht!

Um zu erklären, warum Automatisierung in diesem Fall sogar weh tut, muss ich etwas weiter ausholen: Wir gehören zu einer der Familien, die sich während der Corona-Pandemie einen Welpen in die Familie geholt und diesen noch nicht wieder im Tierheim abgegeben haben. Als er unser fünftes Familienmitglied wurde (die zwei Schildkröten mal ausgenommen), wog er anderthalb Kilo. Heute - vier Jahre später - bringt er als Französische Bulldogge fast 20 Kilogramm auf die Waage.

Sein Name ist Neo und er mag Menschen. Er freut sich über Besucher (gerade neue) und begrüßt sie sehr überschwänglich. Problem: Nicht alle Hunde mögen Neo … oder Hunde generell. Deshalb haben wir ein großes Schild an unserem Gartentor angebracht. Leider können nicht alle Menschen die deutsche Sprache lesen. Das wurde uns nach den ersten Lieferantenbesuchen bewusst, die einfach aufs Grundstück liefen und mit Schrecken im Gesicht fast die Pakete fallen gelassen hätten. Einer wieß uns auf die Tatsache des Lesens hin und seitdem haben wir auch eine grafische Warnung am Eingang.

Spoiler: Auch das funktionierte nicht - warum auch immer. Zeitdruck der Lieferanten vielleicht? Anyway! Unser Highlight war der Amazonfahrer, der einfach aufs Grundstück lief und direkt schreiend wieder raus, als Neo um die Ecke bog. Er schrie so, als sei er gebissen worden. Ich war erst später am Tor und fragte, ob dem so sei. Er verneinte, sagte aber, Neo hätte ihm weh getan. „Weh getan in Herz!“ Er war einfach nur total erschrocken und hatte darüberhinaus eine wahnsinnige Angst vor Hunden. Ich will wissen: „Hast du das Schild nicht gesehen?“ und er antwortet (während er direkt davor steht): „Welches Schild?“ Natürlich hatte er es in der Aufregung übersehen.

Unser Fall ist sogar ein bisschen anders gelagert. Mit unserem Stamm-DHL-Fahrer, der nachweislich Angst vor allen Tieren hat, haben wir eine Abmachung. Sind wir (insbesondere Neo) nicht zu Hause, erteile ich eine Abstellgenehmigung über die App. Ist keiner da, gibt’s keine Genehmigung und er wartet draußen und klingelt.

Heute erwarteten wir eine wichtige DHL-Lieferung, die laut App gegen 13:30 eintreffen sollte. Neo war mit mir im stationären Redaktionsbüro, die Frau ebenfalls auf der Arbeit und die Kinder auch außer Haus. Direkt erteile ich die Abstellgenehmigung, finde aber bei meiner Ankunft zu Hause kein Paket. Ein Blick in die App klärt mich auf: „Zustellung heute leider nicht möglich.“ Houston, wir haben definitiv ein Problem! Die Zustellung soll jetzt morge erfolgen.

Morgen ist Neo mit meiner Frau zu Hause. Das Wetter soll schön werden und er chillt ganz sicher draußen. Meine Frau wird - wie ich sie kenne - die Gelegenheit nutzen und im Haus Dinge richten. Wenn Neo das Tor hört, wenn der DHL-Mann Richtung „Ablageort Terrasse“ geht, wird er sich freuen. Der DHL-Mann bestimmt nicht. Das Aufheben der Abstellgenehmigung für diese Sendung verweigert mir die DHL-App. Ich hoffe, der Fahrer liest den Hinweis in fetter, roter Schrift, den meine Frau am Gartentor angebracht hat! Lesen kann er jedenfalls definitiv …

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