CallCenter Profi

Interview: "Service ist das neue Marketing"

 – Alexander Jünger

Über Social Media und die Potenziale dieses Kanals für den digitalen Kundenservice sprachen wir mit Dr. Peter Gensch, Gründer und Geschäftsführer der B.I.G. Social Media GmbH.

CallCenterProfi: Herr Gentsch, Sie eröffnen die Konferenz „World Class Customer Service 2015“ mit Ihrer Keynote. Grundthese: Social Media ist weitaus mehr, als nur ein neuer zusätzlicher Kanal. Wie meinen Sie das genau?
Gentsch: Kunden stellen Fragen über Telefon im Call Center oder digital in Form von E-Mails – jetzt eben zunehmend auf twitter oder anderen sozialen Medien – was ist daran neu? Anders ist, dass zum einen der Servicedialog offen und für jedermann sichtbar ist. Die Servicequalität wird zum öffentlichen Gut, das schnell positives wie negatives Momentum erzeugen kann. Zum anderen lassen sich die Kundenanliegen kaum über „Soziale Telefonnummern“ in Form eines einzigen Twitter-Zugangs kanalisieren. Der Kunde stellt Fragen, beschwert sich und braucht gegebenenfalls Hilfe dort, wo er sich im Social Web aufhält – und das ist häufig eben nicht der Corporate Channel. In Deutschland mit seiner ausgeprägten Forenkultur können das auch beliebte Plattformen wie „Frag Mutti“, „Gute Frage“, „wer-weiss-was“ oder „Chefkoch“ sein, auf den Service-relevante Dialoge stattfinden. Allzu oft klingelt das soziale Telefon und niemand hebt ab. Die öffentliche Service-Kommunikation bekommt quasi zwangsläufig ein Marketing- und Branding-Momentum und unterstreicht das häufig zitierte Verständnis "Service ist das neue Marketing". Die häufig verwendete Legitimation des Social Service über „Call Avoidence“ greift zu kurz. So ist zum Beispiel ein früh im Social Web erkanntes Kundenanliegen im Sinne einer Frühwarnung auch für den Agenten im Call Center relevant. Ebenso gibt es Service-Dialog, die im Social Channel nichts zu suchen haben und einen Kanal-Wechsel in die traditionellen Kanäle erfordert. Social Media hat damit eine andere Mechanik und Logik in der Kunden-Kommunikation als Telefon oder E-Mail. Der smarte Konsument ist digital vernetzt und bestens informiert. Dementsprechend erwartet er auch smarte Kommunikation vom Unternehmen. Social Media kann zum wichtigen Enabler für viele CRM-Ansätze avancieren und einer intendierten Customer Centricity zum Durchbruch verhelfen. Wer Social Media nur als weiteren Kanal versteht, wird nicht nur das Potential einer neuen Qualität von Kundenservice nicht heben, sondern läuft auch Gefahr eine zunehmend grösser werdende digital-affine Kundenklientel zu vergraulen.

CallCenterProfi: Sie propagieren, Social Media in eine echte Omnichannel-Strategie einzubetten, wie genau kann das gelingen? Auch im Hinblick auf die Tatsache, dass viele Social Media-Nutzer nicht unter ihrem Klarnamen agieren?
Gentsch: Der Kunden reist bei seiner Customer Journey immer mehr über verschiedene Customer Touchpoints, insbesondere auch über digitale und soziale Kontaktpunkte. Eine Omni-Channel-Ansatz muss diese verschiedenen Touchpoints mit dem Ziel eine Kanal-übergreifende Customer Experience sicherzustellen. Es geht dabei jedoch nicht um den Unternehmensinternen Wettbewerb der Kanäle – sondern viel mehr über den intelligenten, synergetischen Channel Mix, der den jeweiligen Kanal mit seiner jeweiligen Stärke im Service-Konzert orchestriert. Eine besondere Herausforderung in Social Media-Kanälen stellt in der Tat die Identifikation und Authentifikation von Kunden dar. Häufig ist der Kunde als „Mausi 007“ und „Micky Maus“ auf sozialen Plattformen unterwegs. Unternehmen müssen Kommunikations- und Profilierungsanlässe schaffen, bei den der Kunden sich zu erkennen gibt. Dass macht er natürlich nur dann, wenn er einen entsprechenden Mehrwert erhält. Wenn „Mausi 007“ einen Service in Anspruch nehmen will, wird das in der Regel nur dann möglich sein, wenn der Service-Agent weiss, um welchen Kunden es sich handelt. Der Mehrwert für den Kunden ist eine zu dem Kundenvertrag und zur Kundenhistorie passende Antwort. Wird dieser Mehrwert transparent und klar kommuniziert, sind Konsumenten bereit sich als Kunden zu „outen“. Hilfreich sind auch Social Sign-Ins zum Beispiel über Facebook oder Twitter. Hier kann der Kunden quasi ein „One Click Profiling“ einfach durchführen. Solche Convience-Massnahmen erhöhen die Bereitschaft und Wahrscheinlichkeit zur Datenbereitstellung durch den Kunden. Zudem lässt sich ein Trend beobachten, dass immer mehr Konsumenten in Social Media mit ihrem Klarnamen agieren. Hier sind natürlich das passende Ansprachekonzept und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten.

CallCenterProfi: In Ihrem Vortrag stellen Sie auch „Best & Next Practices“ vor. Gibt es denn Erfolgsgeschichten jenseits der altbekannten „Telekom-hilft“ und „Deutsche Bahn“-Cases? Gibt es Hidden Champions im Social Media-Service?
Gentsch: Sicherlich wird „Telekom hilft“ zurecht als das Best Practice-Beispiel genannt. Wir hatten die Möglichkeit, Telekom bei dem Aufbau dieses Social Services auf Beginn an zu unterstützen. Es ist absolut beeindruckend, was das Telekom-Team in dieser Zeit geschaffen hat. In unserem Social Media Excellence Kreis haben wir verschiedene Benchmarks im Bereich Social Service durchgeführt. Telekom hat hier insbesondere im Bereich Empathie, Schlagfertigkeit und Originalität die Nase vorn. Diese für andere Kanäle nicht so wichtig erscheinende Kriterien sind im Bereich Social Media durchaus erfolgskritisch – Service ist das neue Marketing! Weitere beeindruckende Beispiele für guten Social Service, die gerade aus ihrem Hidden Champion-Status hinaus in eine größere Öffentlichkeit gelangen, sind 1und1, Unity Media, Audi, BMW und Daimler. In der Zukunft werden neben Telekommunikation und Automotive als Vorreiterbranchen immer mehr weitere Industrien dazukommen. In naher Zukunft wird dieser Art von Service zur Selbstverständlichkeit, so dass der Zusatz „social“ als überflüssig verschwinden wird.

Mehr Informationen zum Thema:
Peter Gentsch sowie weitere Experten zum Thema „Kundenservice in den sozialen Medien“ können Sie live erleben: Am 9. und 10. Juli 2015 präsentieren 15 Referenten ihre Fallstudien bei der "World Class Social Customer Service 2015" in Frankfurt am Main. Nutzen Sie die Chance von den Erfahrungen führender europäischer Unternehmen wie etwa Allianz, Sky, Lieferheld, Microsoft und Philips zu profitieren und mit ihnen über die Zukunft des Customer Support in den sozialen Medien zu diskutieren. Die Veranstaltungssprache ist englisch.

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