CallCenter Profi

Gastkolumne: Viel Lärm um nichts

 – Harald Kling

Die Call Center-Branche stirbt. Seit Langem schon. Und mit ihr auch all ihre Alias-Derivate, die im Laufe der Zeit um sie herum entstanden sind oder eigens dafür erfunden wurden. Das freut die Zweifler, die Nörgler, die Besserwisser und beruhigt all die anderen, die in diesem Fahrwasser ihre eigenen Geschäftsinteressen durchsetzen wollen.

Dabei gehörten Call Center zu den Vorreitern der Digitalisierung und sind heute mehr denn je deren treue Begleiter. Unsere Branche brachte allen Konsumenten endlich die Freiheit, im „Hier und Jetzt“ entscheiden zu können, was sie kaufen oder mieten wollen, oder sich darüber zumindest allerorts und jederzeit informieren zu können. Plötzlich ging alles so schön schnell und unkompliziert. Gerade bestellt und (fast) schon unterwegs. Keine langen Wege mehr, stattdessen schnelle Bestellung am Telefon mit direkter Prüfung der Verfügbarkeit. Das war auch das Aus für die Dominanz der schriftlichen Bestellungen.

Die mit dieser ersten Kundenorientierungswelle verbundenen Hausaufgaben (Datenschutz, Servicequalität, etc.) der Unternehmen wurden seinerzeit aber nicht von allen erledigt. Das führte dazu, dass von so manchem Unternehmen viel versprochen und wenig gehalten wurde. Oder im negativen Fall einfach irgendetwas versprochen wurde, nur um zu verkaufen. Hunderttausend Fake-Abonnements und Outbound-Angriffe später war der gute Ruf dahin. Schon zog die Karawane weiter und machte sich daran, den guten Ruf des E-Commerce ebenfalls zu zerstören.

Doch wer sind wir, wenn wir nicht wieder aufstehen würden? Die Trümmer beseitigen und uns auf das konzentrieren: Service und Information als Basis für Beratung und Verkauf. Deshalb sind die Themen in diesem Heft auch alle so spannend für mich:

  • besserer Verbraucherschutz, gerade im Hinblick auf „Online-Payments“ essenziell für alle eingesetzten Kanäle
  • stärkere Kundenorientierung und ihre Auswirkung auf das B-to-B-Geschäft am Beispiel der Catering-Branche
  • erfolgreichere Kundenbindung durch Emotionsanalyse im Kundenkontakt

Die Digitalisierung ermöglicht uns allen noch konsequentere Kundenorientierung. Das Smartphone ist längst zum unersetzbaren und ständigen Begleiter im täglichen Leben geworden. Was Kunden wollen, wann und wo sie es wollen, das alles ist jetzt verfügbar. Eine tolle Entwicklung und gleichzeitig eine ebenso große Verantwortung. Wer jetzt den Kunden in dieser anonymer werdenden Welt richtig begleitet, wird Erfolg haben. Natürlich brauchen wir die richtige Mischung aus Automation und Emotion, aus Customer-Self Service und Wertschätzung. Aber der Stand der Technik gibt die Verschmelzung mehr als her. Und es gibt viele gelungene Beispiele dafür, wie sich aus digitalen Rohrkrepierern durch ergänzende Call Center-Prozesse erfolgreiches E-Commerce-Business entwickelt. Und auf der anderen Seite, wie lähmende Wartezeiten durch smarte Vernetzung mit Chatbots und Kundenportalen verschwinden und die Kundenzufriedenheit dadurch stetig steigt.

Am Ende aber bleibt mir nur wieder der Hinweis auf die Qualität der Mitarbeiter, und dass Technik nicht alles ist. Wenn aber das Management dies nicht als neue Chance versteht, wird es die wunderbaren Möglichkeiten unserer Branche niemals erfolgreich und nachhaltig einsetzen. Und das wäre furchtbar und schade. Und am Ende tödlich.

Ihr Harald Kling

(Sie teilen die Ansichten unseres Gastkolumnisten oder sind ganz anderer Meinung? Verraten Sie es ihm per E-Mail an harald.kling@deininger.de)

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